Die Schweiz will den Verkehr von der Strasse auf die Schiene verlagern. Das Ziel ist, die Zahl der Lastwagen, die durch die Alpen fahren, auf jährlich 650‘000 zu reduzieren. So steht es im Gesetz zum Verfassungsartikel. Im ersten Halbjahr 2016 lag die Zahl der Lastwagen auf der Schweizer Nord-Süd-Route erstmals seit dem Jahr 2001 unter einer halben Million.
Jon Pult ist Präsident der Alpeninitiative, die die Schweizer Verlagerungspolitik ausgelöst hatte. Er ist optimistisch, dass das Ansinnen der Volksinitiative von 1994 Realität werden könnte – doch dafür brauche es die Politik.
SRF News: Stehen wir an einem Meilenstein der Verlagerungspolitik?
Es ist wie mit dem halbvollen oder halbleeren Glas. Aber man darf dieses Halbjahr nicht alleine anschauen, man muss den Trend der letzten Jahre analysieren. Dort zeigt sich, dass es eine zwar zu langsame, aber doch kontinuierliche Abnahme der Lastwagenfahrten auf der Nord-Südachse der Schweiz gibt. Diese Entwicklung stimmt uns unter dem Strich relativ zuversichtlich.
Hat nicht der starke Franken enorm geholfen, die Zahl der Lastwagenfahrten zu reduzieren, weil dadurch die Schwerverkehrsabgabe LSVA verteuert wurde?
Man wird in Zukunft analysieren können, welche Rolle der starke Franken dabei gespielt hat. Wäre es ein einzelner Ausreisser nach unten, würde ich Ihre Analyse wohl teilen. Aber schon seit Jahren nehmen die Zahl der Fahrten und vor allem auch die Menge der Güter, die auf der Strasse transportiert werden, ab. Auf der Bahn nehmen sie dagegen zu. Deswegen kann man von einem Trend Richtung Verlagerung ausgehen.
Was erwarten Sie konkret, wenn ab September die NEAT in Betrieb genommen wird?
Die ganze NEAT wird ja leider noch nicht in Betrieb genommen, sondern nur der Gotthard-Basistunnel, das Herzstück. Das wird Kapazitäten frei machen, damit die Eisenbahn attraktiver wird. Aber es genügt nicht. Es ist klar, dass es neben der Hardware – der Inbetriebnahme des Basistunnels – auch eine Software braucht: Nämlich politische Massnahmen. Nur so kann die NEAT ausgelastet werden.
Welche politischen Massnahmen meinen Sie konkret?
Zum Beispiel, dass die LSVA modernisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht wird. Zusätzlich zur LSVA braucht es wohl eine Alpentransitabgabe, die übrigens in den Bilateralen Verträgen mit der EU als europa-kompatibel vorgesehen ist. Was es sicherlich auch braucht, ist eine Verknüpfung der Verkehrs- und Verlagerungspolitik mit der Klimapolitik. Es braucht CO2-Limiten für die Lastwagen; es kann nicht sein, dass der Güterverkehr auf der Strasse als einer der letzten Bereiche in den letzten 30 Jahren nicht sauberer geworden ist. Wenn man hier Limiten einführt, wird die Bahn noch konkurrenzfähiger und die Verlagerung noch erfolgreicher.
Ihre Prognose für das nächste Jahr?
Ich glaube, dass wir nochmals eine Verlagerungswirkung haben werden. Ich möchte keine Prognose machen, wie hoch diese sein wird. Aber ich bin zuversichtlich, dass es noch mehr als in diesem Jahr sein wird. Ich glaube, dass wir das Verlagerungsziel in den nächsten vier bis sechs Jahren erreichen können. Es ist realistisch, dass wir den Volkswillen dann endlich umsetzen können – wenn die Politik sich bewegt.
Das Gespräch führte Lukas Schmutz.