Doris Russi ist eine der mächtigsten Wirtschaftsfrauen in der Schweiz. Sie sitzt im Verwaltungsrat von mehreren grossen Schweizer Firmen. Und sie wählt deutliche Worte: «Familie und Beruf kann eine Frau gut verbinden, wenn sie Teilzeit arbeitet. Doch Teilzeit reicht nicht, um an die Spitze zu kommen.»
Die 58-jährige Anwältin weiss, wovon sie spricht. Sie arbeitet pro Woche 60 Stunden. Das war auch so, als ihr Sohn noch klein war. Für ihn beschäftigte sie eine Kindererzieherin.
Das ist ein staatlicher Eingriff in die unternehmerische Freiheit.
Obwohl sie an Sitzungen oft die einzige Frau ist unter Männern, ist sie gegen den Vorschlag des Bundesrates. Dieser will künftig grossen Schweizer Firmen eine Frauenquote von 30 Prozent in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat vorschreiben. «Das ist ein staatlicher Eingriff in die unternehmerische Freiheit», sagt Russi.
Für sie ist es nur eine Frage der Zeit: Der Frauenanteil werde sich auch ohne staatlichen Druck erhöhen. «Als ich Jus studierte, waren wir nur 10 Prozent Frauen, heute sind es 50 Prozent. Das Verhältnis wird sich also automatisch verbessern.»
Dieses Problem löst sich definitiv nicht von alleine.
Die Unternehmerin und Verwaltungsrätin Carolina Müller-Möhl widerspricht: «Seit zwanzig Jahren laufen bereits Anstrengungen, dieses Problem löst sich definitiv nicht von alleine.» Müller-Möhl ist zwar gegen eine staatliche Frauenquote, doch sie sieht Handlungsbedarf. Sie finanziert deshalb mit ihrer Stiftung mehrere Frauenförderungsprojekte, wie etwa das Weiterbildungsprogramm der Hochschule St. Gallen, «Women back to business», oder «Edge», eine Zertifizierungsfirma für Gleichstellung.
Es brauche ein Umdenken in der Gesellschaft, sagt Müller-Möhl. «Die Unternehmen, die Politik und die Gesellschaft müssen am gleichen Strick ziehen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.»
Übergangsquote als Anschub für Firmen?
Verwaltungsrätin Doris Russi sieht das Problem eher bei den Frauen selber: «Die Personalchefs sind verzweifelt, im Alter zwischen 28 und 35 Jahren gehen die Frauen verloren, weil sie ihre Familienphase anders gestalten wollen.»
Damit meint sie Frauen wie Milena Danielsen: Eine Vorzeigekarriere als Unternehmensberaterin und dann ein hoher Kaderjob bei einer Schweizer Bank. Doch mit drei Kindern wurde das schwierig. «Diesen verschiedenen Welten gerecht zu werden, erachte ich als eine der grössten Herausforderungen», sagt Danielsen. Die 42-jährige hat sich deshalb als Finanzberaterin selbständig gemacht. «Als liberale Frau müsste ich gegen eine Quote sein, doch ich bin für eine Übergangsquote, damit endlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Thema wird.»
Es braucht eine temporäre Frauenquote als Anschub.
Sie bekommt Unterstützung von Gabriela Manser, CEO der Appenzeller Mineralquellenfirma Goba AG. «Es braucht eine temporäre Frauenquote als Anschub. Damit die Gremien endlich merken, was für einen Nutzen sie haben von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis.» In ihrem 50-köpfigen Team sind die Hälfte Frauen. «Es gibt eine Menge gut ausgebildeter Frauen in den Startlöchern», so Manser. Das Angebot sei da, nur die Nachfrage fehle. Oft würden Verwaltungsräte zu wenig weit suchen.
Dem widerspricht Doris Russi: «Es gibt keinen Verwaltungsrat, der bei der Rekrutierung das Frauenthema auf der Seite lässt.» Einen Anschub brauche die Wirtschaft nicht. Bereits heute stehe die Thematik im Vordergrund.