Am Freitagnachmittag ist der Bus Richtung Petit-Saconnex vollgestopft. Auffällig viele junge Männer mit Gebetsmütze und Frauen mit Kopftuch fahren in das Wohnquartier zwischen dem Bahnhof und dem Flughafen. Beim Aussteigen sehe ich zwischen den Wohnblöcken das 22 Meter hohe Minarett der Grande Mosque sofort.
Ich kämpfe mich durch das Verkehrschaos, das ein Mann in Leuchtweste irgendwie zu regeln versucht. Autos mit französischen oder Kennzeichen des Kantons Genf kurven auf der Suche nach einem Parkplatz um die Moschee. Chauffeure in Limousinen mit Diplomatenkennzeichen fahren Funktionäre vor.
Neu kontrolliert ein Sicherheitsaufseher, wer kommt
Gut 2000 Muslime besuchen das Freitagsgebet. Am Eingang mustert ein Sicherheitsaufseher genau, wer die Moschee betritt. Der Direktor der Moschee, Ahmed Beyari, empfängt mich in seinem Büro, er reicht mir die Hand und serviert als erstes arabischen, gewürzten Kaffee.
Die Präsenz eines Sicherheitsaufsehers am Eingang sei eine neu eingeführte Sicherheitsmassnahme, weil letzten Sommer bekannt wurde, dass zwei jugendliche Moscheebesucher in den Dschihad gereist waren. Der Aufseher sei nicht nur Türsteher, sondern auch Mediator und suche das Gespräch, wenn er misstrauisch werde.
Zusätzlich zeichnen Überwachungskameras auf, wer ein und ausgeht. Beyari sagt, dass es nötig gewesen sei zu handeln. So könne man die Gläubigen schützen und um Probleme verhindern. Doch für ihn ist klar: «Eine Radikalisierung wie bei den zwei Jugendlichen hat nichts mit dem Islam zu tun, es ist sogar gegen den Islam. Dieser predigt ein friedliches Zusammenleben.»
Staatssicherheitsgefährdende Imame?
Auch zwei Prediger der Genfer Moschee machten allerdings negative Schlagzeilen. Sie tauchten in Frankreich in sogenannten Akten «S» auf, S steht für die Gefährdung der «Sûreté de l'Etat», der Staatssicherheit. Ihre Wohnungen wurden von der Polizei durchsucht. Ahmed Beyari spricht vom schlimmsten Moment in seinen bisher vier Jahren als Direktor der Moschee. Trotzdem habe er immer Vertrauen in die Imame gehabt. Gefunden wurde bei den Hausdurchsuchungen nichts, was ein Strafverfahren gerechtfertigt hätte.
Beyari betont, wie sorgfältig die Imame in Genf ausgewählt würden. Es werde darauf geachtet, dass sie französisch beherrschten und auch mit der europäischen Kultur vertraut seien.
Die Imame sind in Frankreich aufgewachsen. Einen Teil ihrer Ausbildung haben sie jedoch in Saudi-Arabien absolviert. In Saudi-Arabien wird der Salafismus gelehrt, der fortschrittlichen Einstellungen entgegen steht.
Beyari widerspricht, es seien moderate Imame, die einen authentischen, einen offenen Islam predigten, da der Islam jede extreme Orientierung ablehne.
Gebaut mit Geldern der Saudis
Wie moderat der gepredigte Islam in Genf tatsächlich ist, ist eine Interpretationsfrage. Tatsache ist, dass der Bau der Moschee 1978 von Saudi-Arabien finanziert worden war, als eine der ersten saudischen Moscheen in Europa und noch heute fliessen Gelder aus dem Golfstaat nach Genf, auch wenn Beyari darauf besteht, dass sich die Moschee inzwischen durch Immobilienerlöse selbst finanziere.
Ahmed Beyari ist selbst Saudi, hat in der Schweiz und in den USA Politikwissenschaften studiert. Heute rühmt er die Treffen mit dem Genfer Integrationsbüro, die regelmässig stattfinden, seit die Moschee in Kritik geraten ist. Auch die Aufforderung der Genfer Behörden proaktiver und transparenter zu informieren nimmt er ernst.
Distanz zu Gewalttätern gegen aussen markieren
Nach den Terroranschlägen in Brüssel beispielsweise sei es wichtig gewesen sofort ein Mediencommuniqué zu veröffentlichen und sich von den Ereignissen zu distanzieren, denn viele Leute hätten eine islamfeindliche Haltung und da müsse betont werden, dass der wahre Muslim nie jemandem schaden würde, weder mit Worten noch mit Taten.
Beyari will die muslimische Gemeinschaft noch besser integrieren, auch in der Nachbarschaft, wo die Moschee steht. Er ist sich aber auch bewusst, wie schwierig es ist, die Einstellung aller genau zu kontrollieren, denn gerade im internationalen Genf ist die Gemeinschaft sehr vielfältig.