Seit der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» ausgerufen hat, ist auch die Schweizer Armee stark gefordert. Armee-Chef Thomas Süssli ist überzeugt: «Unsere Truppen schaffen das.» Dies, obwohl bereits in der Armee selber zehn Soldaten positiv auf Corona getestet wurden.
SRF: Der Bundesrat hat gestern die grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg beschlossen. Welche Herausforderungen stellen sich?
Thomas Süssli: Es ist das erste Mal, dass wir Truppen mittels Mobilmachung aufbieten. Das haben wir mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA) eingeführt. Die Herausforderungen liegen nun darin, das Trainierte umzusetzen. Dies beginnt beim Aufgebot, welches mittels eAlarm, also per SMS, erfolgt.
Kommen die Leute?
Ja, das ist sehr interessant. Innerhalb einer Stunde haben 80 Prozent der Aufgebotenen geantwortet. Eine weitere Herausforderung ist die Logistik. Das benötigte Material muss bereitgestellt werden. Für die Milizformationen mit hoher Bereitschaft ist dieses bereits separat eingelagert.
Sie waren früher selber Kommandant eines Spitalbataillons. Wenn die Leute nicht mehr genügend versorgt werden können, wie es in Italien der Fall ist, können die Spezialisten der Armee überhaupt helfen?
Ich habe mit den Truppenkommandanten gesprochen. Die Truppe ist natürlich angespannt, aber sie vertraut auf das, was sie gelernt hat. Sie erledigt vor allem Aufgaben in der Grundpflege, um die Spezialisten in den Spitälern entlasten zu können. Und das kann die Truppe.
Die Armee hat auch selber Beatmungsgeräte. Wäre das ein Dienst?
Die Ausrüstung der Armee wird wie das Personal über die Sanitätskoordination an die zivilen Spitäler verteilt.
Es gibt auch eine Plattform, wo man sammelt, was die Kantone an Kapazitäten in den Spitälern haben. Wie ist die Lage heute konkret? Gibt es jetzt schon Engpässe?
Es gibt ein Austauschsystem, welches die Betten und ihre Belegung erfasst. Die Lage wird immer über die Gesuche der Kantone beurteilt. Es liegt an ihnen zu beurteilen, ob sie Engpässe haben oder nicht.
Sie sind da nicht im Bild?
Der Oberfeldarzt der Armee ist auch der Beauftragte des Bundesrates für den koordinierten Sanitätsdienst. Er weiss Bescheid und wird dieses Wissen auch verwenden, um die Gesuche zu beantworten und zu priorisieren.
Es gibt noch ein Militärspital in Einsiedeln und geschützte Operationsstellen. Könnten diese auch helfen, falls es eng wird?
Wir gehen im Moment davon aus, dass es viel wirksamer ist, wenn wir die zivile Infrastruktur mit Personal unterstützen als eigene Spitäler zu betreiben. Das Militärspital in Einsiedeln ist für eine solche Situation nicht unbedingt geeignet.
Der eigentliche Kernauftrag der Armee, Sicherheit, kommt erst an dritter Stelle. Man würde die Polizei, den Grenzwachkorps aber auch den Zoll unterstützen, heisst es. Was bietet die Armee konkret an?
Die Armee wird bei den Schutzaufgaben immer im Hintergrund bleiben. Bei der Unterstützung des Grenzwachkorps wird es darum gehen, die Grenzwächter für die Hauptaufgaben freizustellen und Nebenaufgaben zu übernehmen. Dasselbe gilt bei den Polizeikorps: Die Armee könnte zum Beispiel den Botschaftsschutz übernehmen.
Könnte es auch sein, dass die Armee eine Ausgangssperre durchsetzen muss?
Das ist im Moment keine Option.
Aber das Militär wäre fähig dazu?
Die Leute wären dafür ausgerüstet. Aber es ist ein politischer Entscheid, welche Aufträge wahrgenommen und ausgeführt werden.
Das Gespräch führte Christoph Nufer.