Über 2000 Freiwillige waren für den aktuellen Brutvogelatlas im Einsatz – durchstreiften von frühmorgens bis spätabends während der Jahre 2013 bis 2016 die Schweiz und Liechtenstein. Sie waren damit Teil des grössten feldornithologischen Projekts, das hierzulande je durchgeführt wurde. Ausgerüstet mit Feldstecher und Karte spürten sie Brutvögel auf. Sie notierten, welche Vogelpaare wo für Nachwuchs sorgten.
Über 3 Millionen Einzelbeobachtungen kamen so zusammen. Daten, die dann von einem Team der Vogelwarte Sempach ausgewertet und verglichen wurden mit der letzten grossen Erhebung 20 Jahre zuvor.
Ernüchternde Bilanz
Insbesondere Vögel, die im Landwirtschaftsland brüten, mussten deutlich Federn lassen. Dies ist der wichtigste Befund für Peter Knaus, Projektleiter des Schweizer Brutvogelatlas 2013 -2016.
«Wir haben festgestellt, dass manche Bestände dieser Arten in den vergangenen 20 Jahren um bis zu 60 Prozent zurückgegangen sind», sagt Knaus. Grund dafür sei die intensive Landwirtschaft, die vielerorts betrieben werde. So gibt es auf Ackerbauflächen immer weniger Grünstreifen, wo Vögel, wie etwa die Feldlerche, Insekten finden.
Auch die intensive Nutzung des Wieslandes bringt die Vögel in Bedrängnis. Die Bauern schneiden das Gras häufiger als früher. Es bleibt zu wenig Zeit für Vögel, um dazwischen ihre Brut grosszuziehen.
Plädoyer für mehr Biodiversität
Der aktuelle Befund ist gemäss den Ornithologen in der Vogelwarte Sempach besorgniserregend. Sie plädieren für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft. So könne der Trend zur massiven Abnahme vieler Bestände gebremst werden. Konkret brauche es nun einen wirklich greifenden ökologischen Ausgleich neben der intensiv bewirtschafteten Fläche, fordern sie.
Allerdings bräuchte es hierfür eine revidierte Agrarpolitik und eine Anpassung der Subvention. Davon ist Projektleiter Peter Knaus überzeugt. Die Vogelwarte Sempach lanciert denn nun auch eine elf Punkte umfassende Strategie für den Vogelschutz. Ziel ist, dass eine künftige Bilanz wieder positiver ausfällt für die Vögel im Landwirtschaftsland.
Der Wald als sicherer Hort
Zu den Gewinnern gehören die Waldvögel. Im Gegensatz zum Kulturland wird der Wald heute weniger intensiv bewirtschaftet als früher. Zudem habe die Waldfläche in der Schweiz in den vergangenen Jahren zugenommen. Das bedeutete mehr Lebensraum für die Waldvögel, erklärt Knaus.
Zudem werden umgekippte Bäume und abgebrochene Äste heute vermehrt liegengelassen und nicht mehr weggeräumt. Sie bilden den idealen Nährboden für Insekten, so dass Waldvögel, im Gegensatz zu ihren Artgenossen auf dem Feld, einen reich gedeckten Tisch vorfinden. Die Bestände vieler Waldvögel haben deshalb seit den Neunzigerjahren zugenommen.
Die Amsel als Überfliegerin
Auch die Amsel, die zu den bekanntesten heimischen Vögeln zählt, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich ausbreiten können. An manchen Orten im Mittelland, aber auch in der Ostschweiz und im Tessin, konnten pro Quadratkilometer bis zu 20 Brutpaare mehr gezählt werden.
Treiber dieser Entwicklung dürfte laut den Ornithologen der Vogelwarte Sempach unter anderem die Klimaerwärmung sein. «Die Amseln ziehen nun weniger weit. Sie können dementsprechend früher mit der Brut beginnen und dadurch manchmal nicht nur zwei sondern sogar drei Bruten aufziehen», vermutet Projektleiter Knaus.