Die Anzahl Studierender in den Sozial- und Geisteswissenschaften ist in den letzten rund 10 Jahren gesunken. Das zeigten kürzlich Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Fakt ist: Klassische geisteswissenschaftliche Disziplinen haben teils an Interesse eingebüsst. Fakt ist aber auch: schwarz-weiss ist das Bild nicht.
Das Bild ist nicht einheitlich
Sehr wohl haben die Studierendenzahlen in manchen Fächern abgenommen: Beispielsweise teilt die Universität Bern auf Anfrage von Radio SRF mit, dass die Anzahl Studierender an der Philosophisch-historischen Fakultät zwischen 2013 und 2022 um 23 Prozent zurückgegangen sei, während die Studierendenzahlen an der gesamten Universität (ohne Weiterbildung) um neun Prozent gestiegen seien.
Vom Rückgang betroffen seien von den grossen Fächern primär Germanistik (-32%), Geschichte (-33%) und Kunstgeschichte (-33%). Unter den kleinen Fächern hätten vor allem Iberische Philologie (-56%) und Slawistik (-50%) markante Abschläge zu verzeichnen. Ungefähr gleich sei die Zahl von Studentinnen und Studenten der Archäologie oder auch der Philosophie – auch wenn letztere Schwankungen unterlegen sei.
Die Universität Bern verweist aber darauf, dass diese Zahlen zuletzt wieder angestiegen seien – teilweise gar markant: Im Falle etwa von Geschichte oder Germanistik sei es im letzten Herbst zu einem Anstieg an Neueinschreibungen von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gekommen.
Auch die Universität Zürich relativiert die Berichterstattung, dass Geisteswissenschaften generell an Interessens- und Bedeutungsschwund leiden würden. Katharina Michaelowa, Dekanin der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich, sagt, dass es bei einigen Studiengängen wie beispielsweise Germanistik zwar tatsächlich zu einer Abnahme gekommen sei.
Studiengänge werden diverser
Andererseits aber habe sich das Fächerspektrum aufgesplittet. Das bedeutet, dass Studierende heute mehr Optionen haben und sich diverser ausbilden können, was auch von der Wirtschaft nachgefragt werde. Zum Beispiel sind Sprachwissenschaftler bei grossen Sprachmodellen im Bereich der Künstlichen Intelligenz gefragt oder bei der Demenzforschung in der Medizin.
Und wenn sich jemand für einen neuartigen, spezialisierteren oder interdisziplinären Studiengang entscheide, werde sie oder er das vermutlich auf Kosten des klassischen Studiengangs machen. Ausserdem sei in manchen Geisteswissenschaften der Andrang zeitweise so gross gewesen, dass die Universitäten gar nicht mehr nachgekommen seien. So sei man mit den Zahlen bei der Kommunikationswissenschaft oder der Psychologie derzeit sehr zufrieden, so Michaelowa.
Dennoch drohen aufgrund des Studierendenrückgangs in manchen klassischen Studiengängen Engpässe in der Berufswelt, beispielsweise bei Lehrerinnen und Lehrern für den Französisch-, Englisch- oder auch den Deutschunterricht. So könnte sich der Rückgang der Studierendenzahlen langfristig negativ auf den Bildungs- und Kultursektor auswirken, wie die Uni Bern schreibt.
Wenn sich Studierendenzahlen nachhaltig verändern, also entweder sinken oder steigen, dann habe dies auch Konsequenzen auf die Mittel, die eingesetzt werden, wie die Universität Basel unter anderem gegenüber Radio SRF mitteilt. So hätten Fächer, die in den letzten Jahren zugelegt haben, mithin Professuren gewonnen.