Die Weinernte steht vor der Tür, doch dieses Jahr ist alles anders. Viele Weinkeller sind noch voll mit dem Wein von 2019. Viele Feste, an denen Wein konsumiert worden wäre, sind wegen Corona abgesagt. Die Nachfrage ist gesunken.
Doch in einigen Wochen geht es los mit der diesjährigen Weinlese. Neuer Wein wird produziert. Wohin damit? Die Lösungsansätze sind je nach Region verschieden.
Im Wallis müssen die Winzer Wein verkaufen
Im Kanton Wallis gibt es dieses Jahr eine neue Währung: Nur ein kleiner Teil der Ernte wird heuer in Geld bezahlt, der Rest mit Wein. Amédée Mathier vom Vorstand des Walliser Branchenverbandes Rebe und Wein, findet das eine gute Idee: «Es gibt zu viel Blauburgunder und zu viel Pinot», deshalb habe man nach kreativen Lösungen gesucht, wie man den Absatz fördern könnte.
Die Winzer sollen nun also aktiv mithelfen, den Lagerbestand zu verkleinern. Für Mathier ist das keine Schikane: «Wir haben alle volle Lager.» Der Traubeneinkäufer, also die Kellereien, seien am längeren Hebel. Der Winzer müsse sich arrangieren. Alle seien von der Krise betroffen: Durch das Überangebot sinkt der Preis, den man für eine Flasche Wein verlangen kann.
In der Ostschweiz gibt es weniger Wein
Auch im Ostschweizer Dorf Mels (SG) sind die Weinkeller voll. Die Winzer spüren den Absatzeinbruch in der Gastronomie und den Ausfall von Events. «Die Qualität ist hoch, aber es wird nicht so viel Wein geben», sagt Weinbauer Christian Müller. Dran ist er selber schuld.
«Ich habe einen Drittel der Trauben schon im Frühling rausgeschnitten», sagt Müller. Dadurch war es weniger Arbeit und er konnte Lohnkosten sparen. Zur Zeit hat Müller rund 15'000 Flaschen Rotwein zuviel im Keller.
Ich verzichte freiwillig auf einen Drittel der Trauben.
Er versucht sich mit naheliegenden Hilfsmitteln zu helfen: Umräumen und entrümpeln sind die Hauptstichworte. Zudem bietet er den Wein Online oder direkt über den Hofladen an - mit einem «Coronarabatt». Aber Hofläden und Onlinemarkt seien nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Als Winzer sei man sich bessere und schlechtere Jahre aber gewöhnt. Das wichtigste am Ende des Tages sei sowieso, dass der Wein gut ist.
Nicht alle trifft es gleich schwer
«Die Winzer rund um den Bielersee sind mit einem blauen Auge davongekommen», sagt Adrian Klötzli, der aktuelle Berner Winzer des Jahres. Jeder Winzer und jede Winzerin der Region vertreibt den Wein selbst, das kommt ihnen jetzt zu Gute. Sie sind nicht von Grossverteilern abhängig, wie es die Winzer anderswo sind.
Die meisten Bielersee-Winzer verkaufen ihren Wein an private Kunden. Dies konnten sie trotz Corona weiterhin tun – teilweise sogar mehr als zuvor, hat eine Umfrage der Rebgesellschaft Bielersee bei ihren Mitgliedern ergeben. Wer jedoch viel Wein an Restaurants verkauft, verzeichnete grosse Einbussen.
Michael Teutsch, der Präsident der Rebgesellschaft Bielersee, hofft, dass Winzerfeste, Treberwurstessen, Hochzeitsfeiern oder Firmenanlässe bald wieder in einem grösseren Rahmen stattfinden können.
Erst wird jedoch geerntet – die Trauben werden in diesem Jahr jedoch anders als sonst gelesen, denn man müsse auch da Abstände einhalten und vorsichtig sein. Aber sowohl bezüglich Menge wie auch Qualität der Trauben ist Teutsch optimistisch: «Das könnte ein guter Jahrgang 2020 geben.»