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Schweizweit einzigartig Wärme per Lastwagen: Dieses Hallenbad heizt so wie kein anderes

Weil es keine Fernwärmeleitung gibt, erhält das Schwimmbad in Rothrist AG Wärme per Lastwagen. Das gibt es nur hier.

Zwei graue Tanks auf Anhängern stehen vor dem Hallenbad Stampfi. Seit sechs Jahren erhält das Bad in Rothrist AG seine Wärme auf diese spezielle Art. Mithilfe der in den Tanks gespeicherten Wärme werden die Becken auf 28 bis 34 Grad erwärmt.

Tankanhänger mit Aufschrift «mobile Wärme»
Legende: Die Tanks sind über Schläuche mit dem Heizsystem des Schwimmbads verbunden. Die Wärme in einem Tank reicht für den Wärmebedarf von etwa acht Stunden. SRF/Andreas Brandt

«Das funktioniert sehr gut», sagt die Betriebsleiterin des Schwimmbads, Maya Werder. «Die Wärmecontainer kommen im Winter dreimal, im Sommer zweimal pro Tag. Über einen Boiler nutzen wir die Wärme für unseren Betrieb.»

So funktioniert der Wärmelastwagen

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Handwärmer in zwei Händen
Legende: SRF

Die Tanks werden in der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) aufgewärmt. Dazu wird der Tank bei der KVA ans Fernwärmenetz angeschlossen. Im Tank befindet sich kein Wasser, sondern eine Salzlösung (Natriumacetat-Trihydrat, also Pökelsalz).

Die Salzlösung erhitzt sich während acht Stunden auf 100 Grad. Danach wird der Anhänger zum Hallenbad gefahren. Dort gibt die flüssige Salzlösung die Wärme während acht Stunden wieder ab.

Wie der Handwärmer

Entscheidend ist dabei, dass das Salz viel mehr Wärme speichern kann als beispielsweise die gleiche Menge Wasser. Wieder abgegeben wird die Wärme, wenn die Salzlösung abkühlt und kristallisiert. Beim Wechsel des Zustands gibt das Salz die gespeicherte, sogenannte Latentwärme wieder ab.

Das Prinzip ähnelt demjenigen der kleinen Handwärmer (Bild), die man knicken kann und die dann über längere Zeit Wärme abgeben, zum Beispiel für den Gebrauch in einem Handschuh.

Die Salzlösung bleibt dabei immer im Tank. Hat sich die Lösung abgekühlt, kann sie wieder erwärmt werden.

Aufgewärmt wird die Salzlösung, die sich im Tank befindet, rund drei Kilometer vom Hallenbad entfernt, in der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) in Oftringen AG. Dort werden pro Jahr 65'000 Tonnen Abfall verbrannt. Mit der Abwärme wird Strom produziert, ein Gewächshaus geheizt und ein Fernwärmenetz betrieben. Das Problem: Zum Hallenbad gibt es keine Fernwärmeleitung.

Als das Bad in Rothrist vor zehn Jahren abgerissen und neu gebaut wurde, standen mehrere Heizoptionen zur Wahl. Da die KVA Möglichkeiten suchte, ihre Abwärme zu nutzen, kam den Verantwortlichen die Idee mit der Latentwärme. Ein Konzept, das es bis dahin nur in Deutschland gab.

Deutsche Bäder setzen auf Latentwärme

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Anders als in der Schweiz gibt es in Deutschland einige Anwendungsbeispiele fürs Heizen mit Latentwärme. Einige Schwimmbäder setzen auf das System, aber auch ein Schulzentrum in Hannover.

Gemäss Friedrich Studer, Geschäftsführer der KVA Oftringen, seien die Transportkosten der ausschlaggebende Grund, warum sich das Heizsystem mit Latentwärme in der Schweiz bislang nicht durchgesetzt habe.

Studer sagt: «Der Lohn des Chauffeurs, die Amortisation des Fahrzeuges, der Treibstoff, das ist in Deutschland alles viel günstiger als in der Schweiz.»

Seit sechs Jahren ist das Heizsystem in Betrieb. Für die Gemeinde Rothrist, der das Hallenbad gehört, sei es «eine Erfolgsgeschichte». Dies sagt Gemeinderätin Daniela Weber. «Wir haben einen langfristigen Liefervertrag, so sind wir nicht den Preisschwankungen auf dem Energie- und Strommarkt ausgeliefert», betont sie. Dies sorge für Budgetsicherheit.

Leeres Hallenbad
Legende: Das Hallenbad Stampfi in Rothrist besteht aus einem Kinderbereich, einem Nichtschwimmer- und einem 25-Meter-Schwimmbecken und dem 34 Grad warmen Sprudelbad im Vordergrund. ZVG/Badi Rothrist

Während viele Hallenbäder aufgrund der stark gestiegenen Strom- und Gaspreise ihre Eintrittspreise in den letzten Jahren erhöhen oder die Wassertemperaturen senken mussten, war das in Rothrist nicht notwendig. Das Heizsystem sei zudem umweltfreundlich: «Mit dieser Heizung sind wir CO₂-neutral unterwegs, während andere Bäder mit fossilen Heizungen Energieschleudern sind», so Weber.

Mit einer Lieferung kann man 200 Liter Heizöl sparen.
Autor: Friedrich Studer Geschäftsführer KVA Oftringen

Tatsächlich stammt die Wärme vom Verbrennen des Abfalls. Allerdings muss ein Lastwagen zwei bis drei Mal pro Tag drei Kilometer hin und zurückfahren. Die Umweltbilanz ist also nicht makellos. Der Geschäftsführer der KVA Oftringen, Friedrich Studer, meint dazu: «Mit einer Lastwagenladung kann man 200 Liter Heizöl einsparen. Das ist viel mehr als der Lastwagen auf der kurzen Strecke verbraucht.»

Lastwagen mit Tankanhänger
Legende: Die Lastwagenfahrten übernimmt ein privates Unternehmen. Noch setzt dieses auf einen Diesellastwagen. Man sei aber in Gesprächen, um auf einen Elektrolastwagen umzusteigen, sagt KVA-Geschäftsführer Friedrich Studer. SRF/Andreas Brandt

Die Betriebsleiterin des Schwimmbads, Maya Werder, weist auf eine weitere Tatsache hin, die Hallenbäder mit anderen Heizsystemen nicht kennen. Die Tanks würden teilweise etwas knapp angeliefert. «Dann kann es sein, dass die Wassertemperatur um 0.5 Grad sinkt, was unsere Stammgäste bemerken. Das ist manchmal etwas unangenehm für die Bademeister.»

Dass die Wärmetanks manchmal etwas knapp geliefert würden, habe mit dem beauftragten Lastwagenunternehmer zu tun. Dieser habe im Winter noch andere Aufträge wie das Schneeräumen.

Mobile Wärme ist keine Goldgrube

KVA-Geschäftsführer Friedrich Studer betont, dass das System einwandfrei funktioniere. Allerdings: «Für uns ist es ein Nullsummenspiel. Man ist bei der ursprünglichen Planung davon ausgegangen, dass es mehrere Abnehmer der mobilen Wärme geben würde.» Diese Hoffnung habe sich aber nicht erfüllt.

Grosses Gebäude mit hohem Kamin
Legende: Blick auf die Kehrichtverwertungsanlage in Oftringen. Bekannt ist sie unter dem Namen Erzo. Dies steht für Entsorgung Region Zofingen. SRF/Andreas Brandt

In Zukunft setzen die Verantwortlichen deshalb auf eine klassische Fernwärmeleitung. Im Rahmen des geplanten Ausbaus der KVA wird eine Leitung nach Rothrist geprüft. Wird diese realisiert, wären die Tage des Hin- und Herfahrens von Wärmetanks gezählt.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 10.2.2025, 17:30 Uhr ; 

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