Das Bundesgericht hat sich heute mit der Frage befasst, ob reine Mädchenschulen zulässig sind. Konkret ging es um die Mädchen-Sekundarschule «Kathi» in Wil, die etwa auch Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter besucht hat. Die SRF-Gerichtskorrespondentin Sibilla Bondolfi hat Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Worum geht es?
Seit Jahren sorgt die frühere Klosterschule St. Katharina in Wil SG für Kontroversen. Die private Mädchenschule hat einen Leistungsvertrag mit der Stadt Wil. Sekundarschülerinnen aus Wil können deshalb die Schule gratis besuchen, wovon ein Grossteil Gebrauch macht. Eigentlich wollte die Stadt mit dem «Kathi» vereinbaren, dass zukünftig auch Jungen und Realschülerinnen – getrennt – unterrichtet werden. Doch das Stadtparlament lehnte den neuen Vertrag knapp ab, deshalb gilt der alte Vertrag, wonach das «Kathi» eine reine Mädchen-Sekundarschule ist. Grüne und SP finden geschlechtergetrennte Schulen mit katholischem Hintergrund jedoch veraltet. Zwei Personen und die Jungen Grünen Wil-Fürstenland haben deshalb Beschwerde eingereicht.
Wie argumentieren die Gegner des «Kathi»?
Kritiker rügen unter anderem, reine Mädchenschulen seien diskriminierend. Dank dem «Kathi» hätten die Mädchen in Wil ein attraktiveres und vielfältigeres Grundschulangebot. Die Knaben würden also benachteiligt, und dafür gebe es keine Rechtfertigung. Es sei nicht zulässig, ein Bildungsangebot nur dem einen Geschlecht zugänglich zu machen. Zudem sei die Schule religiös nicht neutral.
Was ist das Problem?
Trotz dieser Kritik finden viele Eltern und Schülerinnen ausgerechnet die Geschlechtertrennung am «Kathi» besonders attraktiv – der Andrang ist gross. Die Mädchen könnten ungestörter lernen und seien so erfolgreicher, lautet ein Argument. Die Schülerinnen könnten so ein gesundes, starkes Selbstbewusstsein entwickeln. Berühmte Abgängerinnen reiner Mädchenschulen sind nebst Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, die das «Kathi» in Wil besucht hat, auch die Alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, die frühere Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs Carla del Ponte und die Schriftstellerin Eveline Hasler.
Was hat das Gericht entschieden?
Drei von insgesamt fünf Richterinnen und Richter haben die Beschwerde gutheissen (Verletzung der Glaubensfreiheit und des Diskriminierungsverbots). Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen und die mitangefochtenen Beschlüsse des Stadtrats von Wil werden damit aufgehoben.
Wie geht es nun mit dem «Kathi» in Wil weiter?
Die Stadt Wil will den aktuell gültigen Schulvertrag mit dem «Kathi» eigentlich kündigen. Sie hat dafür das aktuelle Gerichtsurteil abgewartet. Über die Kündigung muss das Stadtparlament befinden und anschliessend die Stimmbevölkerung. Wenn die Stadt den Vertrag tatsächlich kündigt und keinen neuen abschliesst, müsste die Schule wohl schliessen – und die öffentliche Schule hätte auf einen Schlag mehr Schülerinnen.