Darum geht es: Mit ihrer Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» («Selbstbestimmungs-Initiative») will die SVP Schweizer Recht über Völkerrecht stellen. Davon ausgenommen ist zwingendes Völkerrecht wie etwa das Verbot von Folter. Befürworter möchten die Souveränität der Schweiz retten. Die Gegner sehen die Menschenrechte in Gefahr.
Heute wurden die brennenden Fragen nicht abschliessend geklärt: Nach rund zweieinhalb Stunden wurde die Debatte unterbrochen. Weitergeführt wird sie am Mittwoch in einer Woche. Justizministerin Simonetta Sommaruga äusserte sich noch nicht. Allerdings gab es eine Überraschung: CVP-Nationalrat Gerhard Pfister zog seinen Antrag auf einen Gegenvorschlag zurück.
Das sagen die Befürworter: In der Frühlingssession hatte der Ständerat die hochkomplexe Vorlage diskutiert: Die versammelten Juristen überboten sich gegenseitig in tiefschürfenden Erörterungen über verfassungsmässige Grundsätze und völkerrechtliche Verpflichtungen.
Auch im Nationalrat kam dies nicht zu kurz, vor allem aber wurde scharf geschossen: «Sie sollten sich schämen hier im Saal», geisselte etwa Roger Köppel (SVP/ZH) die «Demokratieabschaffer». Es war nur eines von vielen Statements, das Erinnerungen an die denkwürdige Debatte zur Umsetzung der Zuwanderungsinitiative aufkommen liess.
Sie sollten sich schämen hier im Saal.
Den Initianten geht es primär um Volksentscheide, wie Hans-Ueli Vogt (SVP/ZH) deutlich machte. Diese sollen umgesetzt werden, auch wenn eine angenommene Initiative gegen internationales Recht verstösst.
Auch der Rechtsprofessor und Vordenker der Selbstbestimmungsinitiative bemühte eine für Laien verständliche Sprache: «Die Mitsprache des Volkes passt den Politikern, der Verwaltung und den Richtern nicht. Das Volk stört.» Gregor Rutz (SVP/ZH) erklärte, dass die SVP jederzeit bereit sei, «über einen besseren Vorschlag zu sprechen». Offenbar habe das Parlament diesen aber nicht.
Wie schon bei der «Zuwanderungsschlacht» im Nationalrat deckten die SVP-Vertreter die Redner mit reichlich Fragen ein, natürlich auch, um die eigene Redezeit zu verlängern: So wurde etwa SVP-Nationalrat Vogt in ein mehrminütiges innerparteiliches «Selbstgespräch» verwickelt.
Das sagen die Gegner: Die meisten Gegnerinnen und Gegner der Initiative finden es grundsätzlich nicht sinnvoll, eine starre Regel zum Vorrang in der Verfassung zu verankern. Sie plädieren für einen pragmatischen Umgang mit Normenkonflikten. Kommissionssprecher Kurt Fluri (FDP/SO) erklärte, die Initiative gefährde den Ruf der Schweiz als verlässliche Partnerin in den internationalen Beziehungen.
Für Balthasar Glättli ist klar: Jeder im Land hat das Recht auf Grund- und Menschenrechte. Der Grünen-Nationalrat bemühte eine Analogie aus dem Tierreich: «Eine Demokratie ohne Grundrechte ist wie, wenn sieben Füchse und eine Gans darüber abstimmen, was es zu Essen gibt.» CVP-Präsident Pfister wagte einen Blick in die Glaskugel: Die Initiative stelle fundamentale Werte der Schweizer Rechtsordnung in Frage und dürfte vom Volk deutlich abgelehnt werden.
SP-Fraktionsschef Roger Nordmann sprach kurz und bündig von der «Selbstzerstörungs-Initiative». Sein Basler Parteikollege Beat Jans zog den Vergleich zum «Filibuster» in der US-Politik: «Sehe ich richtig, dass die SVP die Strategie hat, diese Diskussion so lange zu führen, dass der Rat nicht mehr in dieser Session bestimmen kann»?
Diese Initiative ist zu extrem, löst kein Problem und bewirtschaftet ein Phantom der fremden Richter.
Ruth Humbel (CVP/AG) bedauerte, dass keine vertiefte Diskussion über einen Gegenentwurf stattgefunden habe: Die Frage, was gelte, wenn Landes- und Völkerrecht nicht vereinbar seien, müsse von der Politik geklärt werden. Aber: «Diese Initiative ist zu extrem, löst kein Problem und bewirtschaftet ein Phantom der fremden Richter.» Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) kritisierte die «Ballenberg-Romantik», von der die Initiative geprägt sei. In einer globalisierten Welt brauche es gemeinsame Regeln.