Schätzungsweise jede dritte Kundin und jeder dritte Kunde in der Schweiz bezahlt wenn möglich nicht mehr an der traditionellen Kasse, sondern am sogenannten Self-Checkout-Automaten: Es gehe schneller und unkomplizierter, sagen Konsumenten.
Aber an diesen Self-Checkout-Maschinen kann es zu Stresssituationen kommen. Zum Beispiel dann, wenn das Personal nachprüfen will, ob der Kunde tatsächlich alle Waren eingescannt hat. Der Kunde verliert Zeit, und für das Personal stellt sich die Schwierigkeit abzuwägen, ob etwas vergessen oder vorsätzlich geklaut wurde. An einem schlechten Tag könne man in so einem Fall schon aggressiv reagieren, sagt ein Kunde.
Beschimpfungen, sexistische Sprüche und in seltenen Fällen gar physische Gewalt – das kommt vor am Checkout-Automaten. «Wo Menschen im öffentlichen Raum aufeinandertreffen, kann es zu unangenehmen Situationen kommen», sagt Andrea Bauer, Medien-Sprecherin der umsatzstärksten Migros-Genossenschaft Aare. Beschimpfungen seien glücklicherweise äusserst selten. Sie räumt aber ein, dass Konflikte mit Kunden nicht systematisch erfasst würden.
Angst davor, Schwäche zu zeigen
Ähnlich antwortet die Coop-Medienstelle in einer schriftlichen Stellungnahme. Somit bleibt das wahre Ausmass unklar. Und dürfte es wohl immer bleiben, sagt eine betroffene Detailhändlerin, die anonym bleiben will. Denn nicht alle Angestellten trauten sich, ihren Chefs von Konflikten zu erzählen – aus Angst, sie würden so Schwäche zeigen. Die Detailhändlerin erzählt, dass sie gerade erst gestern wieder eine negative Erfahrung gemacht habe, als sie ein älterer Mann bedrängt hatte.
Was diese Frau erzählt, decke sich mit den Schilderungen zahlreicher anderer Angestellten, sagt Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia. Sie stützt sich auch auf eine Befragung der Universität Bern. Das Hauptproblem sei, dass ein Rollenwechsel stattgefunden habe – von einer Kassiererin, die direkten Kundenkontakt habe, zu einer Aufpasserin. «Da wünscht sich das Personal eine stärkere Rückendeckung durch die Vorgesetzten», so Alleva.
Klare Vorgaben fehlten
Insbesondere sollten die Angestellten klare Vorgaben haben, wie sie bei mutmasslichem Diebstahl vorgehen müssen. Und auch bei der Schulung sieht Vania Alleva Nachholbedarf. Deeskalations-Trainings, so wie sie zum Beispiel die Billett-Kontrolleure bei der SBB erhalten, fehlten. Migros-Aare-Sprecherin Andrea Bauer widerspricht. Es gebe spezifische interne Schulungen für die richtige Kommunikation mit dem Kunden.
Und Coop betont, man investiere jährlich 45 Millionen Franken in die Ausbildung der Mitarbeitenden. Den grössten Teil der internen Schulung mache die Ausbildung der Kassierer und Mitarbeitenden an den Self-Checkout-Kassen aus. Den Gewerkschaften genügt das nicht. Sie fordern, dass die Angestellten noch besser auf ihre Kontrollaufgaben vorbereitet werden.