Welche Gefahr geht derzeit von den Affenpocken in der Schweiz aus? «Wir schätzen das Risiko zurzeit als gering ein, die epidemiologischen Daten sind aber noch beschränkt», erklärt Céline Gardiol, Leiterin der Sektion Impfempfehlungen und Bekämpfungsmassnahmen im Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch bei uns noch mehr Fälle auftreten können, wie dies auch in anderen Ländern geschieht.» Das Affenpockenvirus gilt als mässig übertragbar auf Menschen. Die Krankheit verläuft in der Regel mild. Wichtig sei, dass Personen mit Symptomen rasch zum Arzt oder zur Ärztin gehe würden. Auch Linda Nartey, Vize-Direktorin des BAG stellt klar: «Es gibt keinen Grund für Angst und Panik.»
Ergreift das BAG bereits erste Massnahmen? Man überwache die epidemiologische Situation in Zusammenarbeit mit den internationalen Gesundheitsbehörden und Experten, sagt Linda Nartey. Wichtig sei nun, dass Behörden, Gesundheitsfachpersonen und Behandlungszentren die Situation kennen würden und sensibilisiert seien. So, dass Personen, die erkranken, gut behandelt und isoliert werden können.
Gibt es bei den Affenpocken auch schwere Verläufe? Immungeschwächte Personen sowie Kinder und junge Erwachsene, die sich angesteckt haben, scheinen laut dem BAG ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf zu haben.
Ist das Virus genauso ansteckend wie Corona? «Basierend auf dem, was man über das Virus weiss, kann man davon ausgehen, dass es weniger übertragbar ist als das Coronavirus», sagt Linda Nartey. Es brauche einen engen, teilweise auch länger dauernden Kontakt mit angesteckten Personen und teilweise auch direkten Kontakt etwa mit Hautläsionen, um sich anzustecken. Infektiologie-Professor, Jan Fehr, betont ausdrücklich, dass man nicht von einer Aerosol-Ansteckung ausgehe.
Stehen wir vor einer neuen Pandemie? «Im Moment haben wir keine Hinweise darauf, dass wir vor einer neuen Pandemie stehen», sagt Linda Nartey. «Aber die Situation muss – wie es auch gemacht wird – beobachtet werden.» Man müsse die Ausbrüche abklären; bei jedem Fall werde sofort ein Contact-Tracing gemacht, sodass Übertragungsketten schnell unterbrochen werden können.
Gibt es eine Impfung? Es gibt keinen spezifischen Impfstoff gegen Affenpocken. Allerdings verleihen die Pockenimpfstoffe der ersten und zweiten Generation einen wirksamen Schutz. Diese Impfstoffe wurden in der Schweiz bis im Jahr 1972 im Rahmen des Programms zur Ausrottung der Pocken verabreicht. 1979 hat die WHO die Welt als pockenfrei bezeichnet; damit wurden auch die Pockenimpfungen eingestellt. Mittlerweile gibt es auch einen Pockenimpfstoff der dritten Generation (MVA-BN/Imvanex), der in Europa für Erwachsene zugelassen ist, nicht aber in der Schweiz. Auch dieser Impfstoff würde laut BAG «einen guten Schutz gegen Affenpocken» bieten.
Das BAG klärt die Verfügbarkeit eines Impfstoffes ab. Für die Zulassung von Impfstoffen ist die Arzneimittelbehörde Swissmedic zuständig. Sie handelt allerdings nur auf Antrag von Herstellern. Sie wird entsprechend nicht selber aktiv und wirkt nicht auf Zulassungen bestimmter Mittel hin.
Gibt es Medikamente zur Behandlung der Affenpocken? In der Schweiz habe es bis in die 70er-Jahre Zulassungen für Arzneimittel gegen Pocken gegeben, schreibt Swissmedic auf Anfrage von SRF. Zurzeit lägen aber keine solchen vor. «Das liegt daran, dass die Krankheit ausgerottet war, keine Impfungen mehr stattfanden und die Firmen auf die Zulassung der von 50 Jahren zugelassenen Mittel verzichtet haben.» Man habe derzeit «keine Anträge auf Zulassung von Arzneimittel zur Bekämpfung von (Affen-)Pocken und auch in den letzten Jahren keine erhalten».
Gibt es Verhaltensempfehlungen? Laut Linda Nartey vom BAG gilt dasselbe wie bei allen übertragbaren Krankheiten: «Wer Kontakt mit einer infizierten Person hat, sollte sich möglichst schützen, also enge Kontakte vermeiden.» Wenn man Kontakt hatte, sollte man sich die Hände waschen und desinfizieren. «Und wenn man Symptome entwickelt, sollte man diese mit einer Fachperson, also einer Ärztin oder einem Arzt, abklären.»
Woher haben die Affenpocken ihren Namen? Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name. Fachleute gehen davon aus, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. Und das Virus kann eben auch vom Tier auf den Menschen überspringen und umgekehrt (Zoonose).
Wie häufig sind solche Zoonosen? Sehr häufig: Fast 70 Prozent aller Infektionskrankheiten beim Menschen sind Zoonosen. Dazu zählen die Tollwut, Malaria, Ebola oder HIV – und wahrscheinlich auch das Coronavirus. Eine der verheerendsten Zoonosen ist die Pest, die sich von Nagern über Flohbisse auf den Menschen übertrug und dann über Tröpfchen-Infektion von Mensch zu Mensch weitergegeben wurde. Derzeit sind etwa 200 Krankheiten bekannt, die durch Zoonosen ausgelöst werden, die Zahl nahm in den letzten Jahren zu. Etwa, weil die Menschen immer weiter in die Lebensräume von Wildtieren eindringen, durch die Globalisierung und die Verstädterung.
Wie sind die Affenpocken in den Menschen gelangt? Dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge geschieht eine Übertragung auf den Menschen allgemein häufig durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischem Blut und Sekreten, über das Essen infizierten Affenfleischs sowie Tröpfcheninfektion.
Laut der WHO sind momentan vor allem Männer betroffen. Warum? Laut dem BAG ist es möglich, dass durch sexuelle Kontakte mit einer infizierten Person die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Mensch zu Mensch steigt. «Männer, welche Sex mit Männern haben, scheinen, ein zusätzliches Risiko einer Ansteckung zu haben», so das BAG auf seiner Homepage. Die Übertragungswege würden aktuell wissenschaftlich vertieft untersucht. Intimkontakt ist aber nur eine Möglichkeit der Übertragung – es ist womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkreis getragen wurde und dann vor allem dort weiter kursierte.
Wieso treten plötzlich Fälle des Virus ausserhalb der Ursprungsländer auf? Das ist laut Céline Gardiol vom BAG nicht aussergewöhnlich. Einzelne Fälle seien schon früher punktuell ausserhalb von Afrika aufgetreten. «Aussergewöhnlich ist, dass seit Anfang Mai 2022 eine Häufung von Affenpocken in mehreren Ländern in Europa und auch in Nordamerika festgestellt wird.»
Sind wir aufgrund von Corona sensibilisierter und nehmen solche Ausbrüche eher wahr? Gemäss Infektiologie-Professor Jan Fehr ist tatsächlich eine Sensibilisierung zu spüren, was aber auch wichtig sei: Die globalisierte Welt sowie die Klimaerwärmung könnten hier eine Rolle spielen und das müsste man, «wollen wir gut in die Zukunft kommen», auf dem Radar haben. «Es wird mehr solche Krankheiten geben, das ist zumindest meine Prognose.»