Ein Importverbot von Reptilienhäuten aus tierquälerischer Produktion. Normalerweise macht so eine Vorlage keine grossen Schlagzeilen. Doch dieses Gesetz schaffte es in der Wintersession zu unüblicher Berühmtheit. Der Grund: Bei der Abstimmung im Ständerat gab es einige Verwirrung. Zuerst wurde der Vorstoss zwar abgelehnt, aber eigentlich angenommen. Und bei der Wiederholung der Abstimmung wurde das Ergebnis erneut falsch ermittelt. Diesmal stand immerhin zweifelsfrei fest, dass der Vorstoss abgelehnt wurde.
Aufgedeckt wurden die Ungereimtheiten von der Informationsplattform Politnetz. Diese hatte die Abstimmungen gefilmt und konnte so das Ergebnis kontrollieren. Das ist in der laufenden Session nicht möglich. Zum Filmen hatte die Plattform bisher nur eine provisorische Bewilligung. Sie stellte zwar einen Antrag, definitiv im Ständeratsaal filmen zu dürfen. Nach einem eher verwirrenden Austausch von E-Mails betrachtete das Ratsbüro dieses Gesuch aber offenbar als zurückgezogen.
Auch beim Gripen falsch gezählt?
Vielleicht hätten solche Aufnahmen im aktuellen Fall etwas Klarheit gebracht. Auch bei der erstaunlichen Abstimmung über die Gripen-Gelder vom Dienstag gibt es nämlich Ungereimtheiten. Das Problem dabei: Es waren mehr Leute im Saal, als Stimmen gezählt wurden. Die Sicht des Videos und Nachfragen bei Ständeräten haben ergeben: Wie der Walliser CVP-Ständerat René Imoberdorf gestimmt hat, ist unklar. Er sei sich sicher, dass er nein gestimmt habe, erklärte Imoberdorf gegenüber SRF. Ist dies tatsächlich der Fall, wäre falsch ausgezählt worden. Statt 23 zu 19 hätte das Resultat dann 23 zu 20 gelautet.
Diskussion ums Selbstverständnis des Ständerates
Irren ist menschlich, und man kann sich auch mal verzählen. Doch wenn es um solch wichtige Vorlagen geht, sollte das nicht vorkommen.
Es braucht ein elektronisches Abstimmungssystem wie im Nationalrat, fand deshalb der Glarner SVP-Ständerat This Jenny schon vor mehr als einem Jahr. Er reichte eine parlamentarische Initiative ein. Die Bevölkerung habe das Anrecht darauf zu wissen, wie der Ständerat bei einzelnen Anliegen abstimme, fand Jenny. Heute müsse jemand im Stile eines FBI-Agenten auf der Tribüne Platz nehmen, um nachvollziehen zu können, wie jemand abgestimmt habe.
In der Sommersession 2012 stimmten die Ratsmitglieder dem Vorstoss tatsächlich zu. Nicht ohne vorher aber zwei Stunden lang über Sinn und Unsinn diskutiert zu haben. Vor allem die Mitteparteien warnten vor dem Verlust der Dialogkultur in der «Chambre de réflexion»; von «bewährter Tradition» und einem «schönen Ritual». Die meisten Gegner fürchteten jedoch weniger den Knopfdruck an sich, sondern vielmehr die Ranglisten, die danach aus den Daten erstellt werden können.
Reptiliendebakel brachte Meinungsänderung
Nach dem grünen Licht des Ständerates hat die Kommission die notwendigen Änderungen des Geschäftsreglements ausgearbeitet. Ihre Änderungsvorschläge gehen aber nicht allzu weit. Gemäss dem Entwurf der Kommission sollen die Abstimmungsergebnisse in Form von Namenslisten veröffentlicht werden. Allerdings nicht immer, sondern nur bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr oder wenn mindestens zehn Ratsmitglieder es verlangt haben.
Die Ständeräte waren skeptisch. Sie lehnten die Vorschläge im Herbst zuerst ab. Nach dem Debakel um die Reptilienvorlage in der Wintersession stimmten sie dann aber doch zu. Nun wird das Stöckli erneut über die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems befinden müssen.
Übrigens: Ein Antrag, alle Abstimmungen namentlich durchzuführen wie im Nationalrat, wurde in der Kommission mit 7 zu 3 Stimmen und 3 Enthaltungen abgelehnt. Sofern denn richtig gezählt worden ist.
(eglc)