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Session Bürgerlicher Schulterschluss: mehr als ein Lippenbekenntnis?

Am ersten Tag der Session haben sich die Parteien SVP, FDP und CVP zur verstärkten Zusammenarbeit bekannt. Aber welche Chancen sind diesem Vorsatz einzuräumen? Politikwissenschafter Michael Hermann erläutert die Potentiale und Hindernisse des Bestrebens, die bürgerlichen Kräfte zu bündeln.

Zum Abschluss der Frühlingssession denkt man gemeinhin an die Ziele zurück, die sich die politischen Akteure für die Debatten vorgenommen haben. Eine dieser Absichten war ein bürgerlicher Schulterschluss, den die Parteien SVP, FDP und CVP als sinnvoll erachteten. Doch was ist aus diesen Bemühungen geworden, welche die Protagonisten bei Eröffnung der Session ins Auge fassten?

Die Nachfragen von «10 vor 10» zeigen, dass die bürgerlichen Parteien auch weiterhin an politischen Synergien interessiert sind. Toni Brunner, Parteipräsident der SVP, streicht etwa die Bedeutung anstehender Reformen heraus, die im Bereich Sozialversicherungen, Raumplanung und ausufernder Kosten nur mit geeinten Kräften zu bewerkstelligen seien.

Parlamentarier im Gespräch während der Session.
Legende: Ob der bürgerliche Schulterschluss mehr als ein Lippenbekenntnis ist, muss sich noch weisen. Keystone

Und FDP-Präsident Philipp Müller pflichtet ihm insofern bei, als auch seine Partei die ökonomischen Prozesse fortan in Zusammenarbeit mit den anderen steuern wolle.

Vorsätze stehen quer zum Wahlverhalten

Die Vorsätze der Parteipräsidenten stehen allerdings quer zum Wahlverhalten der Parteien. Wie Politikwissenschafter Michael Hermann aufzeigt, treffen SVP, FDP und CVP immer weniger die gleichen politischen Entscheide. Stimmten sie im Jahr 1997 noch in 46 Prozent der Abstimmungen im Parlament gleich, waren sie in der diesjährigen Session nur mehr in 33 Prozent der Entscheide derselben Ansicht.

Für die Divergenz, die sich im Abstimmungsverhalten der bürgerlichen Parteien zeigt, gibt Hermann zwei Gründe an: Zum einen hätten die Parlamentarier früher weniger an die Wahlen gedacht und sich mehr um die Bildung von Mehrheiten gekümmert. Zum anderen sei das ehemals kompakte bürgerliche Lager heute durch starke Differenzen gekennzeichnet. Die FDP sei nach rechts gerutscht und die CVP bei gewissen Themen nach links. Insgesamt sei es heute schwieriger, eine gemeinsame Linie zu finden.

In der Erhebung des Politikwissenschafters zeigt sich auch, wer unter den Parteien die Hand zur Zusammenarbeit reichte und wer sich lieber auf sich selbst besann. Die FDP stimmte am meisten mit den anderen beiden Parteien, während die SVP am eigenwilligsten verfuhr.

Was die Themen betrifft, weicht die SVP in der Aussenpolitik, der Rechtsordnung und der Gesundheit von den Vorstellungen der anderen Parteien ab. Die FDP ist am wenigsten im Bereich Landwirtschaft, Sozialem und Gesundheit zu Konzessionen bereit. Und die CVP beharrt im Sozialen, der Umwelt und der Energie auf ihrem Kurs.

In den von der CVP besetzten Themen sieht Hermann derweil das grösste Potential für einen Brückenschlag. Dies, weil die CVP in den sie interessierenden Problemen nicht einen derart harten Kurs fahre, wie dies die SVP in den von ihnen besetzten Fragen tun würde. Will heissen: Wenn es zu einem Kompromiss kommt, dann am ehesten auf Kosten der CVP, so die Einschätzung des Politologen Hermann.

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