- Darum geht es
«EU-Beitrittsgesuch – Klarheit schaffen» heisst die Motion von Lukas Reimann, die der Nationalrat im Frühling mit 126 zu 46 Stimmen gutgeheissen hat. Reimann kritisiert, dass die Verhandlungen der Schweiz mit der EU immer noch vor dem Hintergrund des deponierten Beitrittsgesuchs von 1992 stättfänden. Es sei höchste Zeit, das Gesuch formell und offiziell zurückzuziehen, damit die Schweiz wie eine unabhängige und eigenständige Nation behandelt werde.
Nun lag der Ball beim Ständerat, der bisher alle Vorstösse mit diesem Anliegen verworfen hatte. Die aussenpolitische Kommission empfahl mit Stichentscheid des Präsidenten erneut, die Motion abzulehnen.Eine Minderheit mit Karin Keller-Sutter (FDP/(SG) machte sich jedoch für das Anliegen von Reimann stark.
- Das Resultat
Der Ständerat nimmt die Motion Reimann mit 27 gegen 13 Stimmen bei zwei Enthaltungen an.
- So argumentierten die Befürworter
Ein Rückzug des Gesuchs bringe keinen Vorteil, aber auch keinen Nachteil, erklärte Keller-Sutter im Rat. Letzlich sei die Analyse der Mehrheit wie auch der Minderheit in der Kommission ähnlich ausgefallen: «Was nützt das Gesuch in Brüssel noch, wenn sie es überhaupt noch finden und noch wissen, wo sie es abgelegt haben?» Nun könne politisch ein Schlussstrich gezogen werden, nachdem selbst der Bundesrat erkläre, das Gesuch sei bereits mit dem EWR-Nein obsolet geworden.
«Zum gefühlten 100. Mal diskutieren wir über ein Gesuch, das wir so nie gewollt haben, das gegenstandslos geworden ist und nach offizieller Lesart keine Bedeutung mehr hat», erklärte Hannes Germann (SVP/SH). Der Ständerat könne heute Klarheit schaffen und die Diskussion beenden.
- So argumentierten die Kritiker
Vor geschätzten zehn Jahren habe er einer ersten derartigen Motion als Einziger neben der SVP noch zugestimmt, erinnerte sich Filippo Lombardi (CVP/TI). Heute tue er das nicht mehr, denn die Übung werde lächerlich. «Dass nun der Bundesrat vom Parlament gezwungen wird, gegenüber der EU die Position der Schweiz einmal mehr zu betonen, hilft nicht, schadet auch nicht, könnte man sagen», fügte der Tessiner lakonisch an.
In der Kommission habe er allerdings eine Umformulierung wie folgt vorgeschlagen: Der Bundesrat soll der EU höflich sagen, dass das damalige Beitrittsgesuch heute gegenstandslos ist und die Schweiz den bilateralen Weg mit der EU weiterführen und absichern will, wenn nötig in neuen Formen. Sein Vorschlag habe keine Gnade gefunden, weshalb er sich jetzt enthalte: «Ich finde, es ist nicht mehr sehr intelligent, darüber zu diskutieren.»
- Das sagte der Bundesrat
Wie bereits im Nationalrat unterstrich Aussenminister Didier Burkhalter, dass das Gesuch seine Wirksamkeit mit dem EWR-Nein des Volkes von 1992 verloren habe. Auch fungiere die Schweiz nicht auf der EU-Liste der offiziellen Beitrittskandidaten.
Burkhalter erinnerte zugleich an die mannigfaltigen Verträge und Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. In diesem Zusammenhang störte er sich auch am Titel der französischen Version der Motion Reimann. Diese enthält neben der Rückzugsforderung den Zusatz «..et dire les choses telles qu'elles sont». Burkhalter stellte dazu fest, dass es in der Politik verschiedene Wahrheiten gebe. Auch seien «Realität und Wahrnehmung» manchmal verschieden. Der Bundesrat habe aber ein gewisses Verständnis, wenn nun das Parlament in dieser Angelegenheit endgültig entscheiden wolle.