Die «Energiestrategie 2050» ist hochkomplex. Mit umfangreichen Massnahmen sollen der Energie- und Stromverbrauch nachhaltig gesenkt, erneuerbare Energie gefördert und die Energieeffizienz erhöht werden. Die Laufzeiten der AKW werden allerdings nicht befristet.
In der Herbstsession wollen die Räte nun ihre letzten Differenzen bereinigen, und der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Entsprechend dauerte die Beratung des Geschäfts erneut mehrere Stunden. Neben Sitzleder war auch Kompromissfähigkeit gefragt.
Die Debatte
Bastien Girod trommelte indirekt für die eigene Atomausstiegsinitiative. Von der angepeilten Energiewende samt raschem Atomausstieg sei nur «ein gerupftes Huhn» übrig geblieben, sagte der Grünen-Nationalrat. Tatsächlich wurde die ambitionierte Vorlage des Bundesrats in wesentlichen Punkten abgeschwächt, dafür wurden die Subventionstöpfe für die darbende Energiebranche geöffnet.
Bundesrätin Doris Leuthard rief die Nationalräte auf, für eben diese Rechtssicherheit zu schaffen. Und zeigte sich zufrieden, «dass von unserer ursprünglichen Vorlage 70 bis 80 Prozent übrig geblieben sind».
Dieser Meinung war auch Martin Bäumle (GLP/ZH): «Es ist eine pragmatische Vorlage, die wir mit Überzeugung unterstützen – auch wenn der Atomausstieg faktisch vertagt und vieles verwässert wurde.»
Beat Jans (SP/BS) sekundierte im Namen der Sozialdemokraten: «Wir stehen zur Energiestrategie, auch wenn in der neuen Legislatur erhebliche Verschlechterungen vorgenommen wurden».
Albert Rösti (SVP/BE) verwahrte sich derweil vor Jans‘ Vorwurf, die politische Rechte würde «herumeiern»: «Seit Jahren versucht man uns weiszumachen, wie man Atomkraft mit Solar-, Wind- und Bioenergie ersetzen will. Wir investieren Abermillionen und verzerren den Markt, aber die Ziele bleiben unrealistisch.»
Die wichtigsten Entscheidungen
Trotz hitziger Debatte: In wesentlichen Punkten haben sich Nationalrat und Ständerat heute angenähert:
- Geeinigt haben sich die Räte auf Ziele für erneuerbare Energien ohne Wasserkraft, die heute rund 3 Terawattstunden beitragen: Im Jahr 2020 soll die durchschnittliche Jahresproduktion bei mindestens 4,4 und im Jahr 2035 bei 11,4 Terawattstunden liegen.
- Bei den Subventionen für Grosswasserkraftwerke folgte der Nationalrat ebenfalls dem Ständerat. Schon in der letzten Beratungsrunde hatten sich die Räte eigentlich darauf geeinigt, dass die Werke künftig Subventionen erhalten sollen, wenn sie den Strom zu tiefen Preisen verkaufen müssen. Umstritten waren nur noch Einzelheiten.
- Weitgehend geeinigt haben sich die Räte bei Steuerabzügen für Gebäudesanierungen. Der Ständerat stellte sich erst gegen dagegen. In der letzten Session beschloss er, dem Nationalrat ein Stück entgegenzukommen. Demnach sollen bei Neubauten die Kosten für den Rückbau des alten Gebäudes abgezogen werden können. Der Nationalrat ist damit einverstanden, möchte aber einen Abzug verteilt auf drei Steuerperioden ermöglichen.
- Umstritten bleibt die Frage, unter welchen Voraussetzungen Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien in Naturschutzgebieten gebaut werden dürfen. Der Nationalrat beschloss, an seiner Fassung festzuhalten. Diese betont das nationale Interesse an Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien stärker als jene des Ständerates.
So geht es weiter
Nächste Woche geht die Vorlage an den Ständerat, am 30. September soll sie bereit sein für die Schlussabstimmung. Dass die Vorlage abstürzt, ist eher unwahrscheinlich: Es bräuchte eine geschlossene bürgerliche Front von SVP und FDP.
Ob es zu einem Referendum kommt, ist unklar. Economiesuisse will darauf verzichten. Die Organisation «Alliance Energie» will Unterschriften für eine Volksabstimmung sammeln.