SRF News: Herr Dobler, wie haben Sie vom Cyber-Angriff vom vergangenen Wochenende auf Digitec erfahren?
Marcel Dobler: Erst am Montag habe ich von einem Freund gehört, dass die Webseite vom Samstag bis am Montag teilweise oder ganz offline war. Es scheint ein DDoS-Angriff gewesen zu sein.
Waren Sie überrascht?
Als ich noch bei Digitec war, gab es etwa einmal im Jahr eine solche Attacke. Neu ist aber, dass sich der Angriff auch firmenintern ausgewirkt hat. Nicht nur die Website war nicht mehr verfügbar, sondern auch bei Digtec selbst ging gar nichts mehr. Das ist dann schon mehr als ärgerlich, wenn nicht nur die Seite lahmgelegt ist, sondern auch die Mitarbeiter die Kunden am Telefon und im Laden nicht mehr bedienen können.
Ein schwerer Schlag also gegen das von Ihnen mitgegründete Unternehmen?
Ein «Super-Gau», kann man sagen. Stellen Sie sich die Dimensionen vor. Ist die Webseite für zwei, drei Tage nicht verfügbar, verzeichnen wir, weil mögliche Konsumenten auf die Konkurrenz ausweichen, eine Umsatzeinbusse in Millionenhöhe. Und der Reputationsschaden ist hier noch nicht einmal eingerechnet. Die Konsumenten mögen schlimmstenfalls denken, Digitec sei unfähig oder hätte zumindest die Hausaufgaben nicht gemacht. Dann kaufen sie auch künftig bei anderen Anbietern ein.
Wenn Digitec das Phänomen kennt, aber erneut angegriffen worden ist – hat man denn die Hausaufgaben nicht gemacht?
Online-Unternehmen können sich mit viel Geld schützen. Sie müssen aber immer wieder neu abwägen, wie viel Geld sie in den Schutz investieren wollen und können. Wenn nun ein grossangelegter Cyber-Angriff wie der vom vergangenen Wochenende geschieht, können Sie sicher sein, dass viele Entscheidungsträger zum Verwaltungsrat eilen und um mehr Geld bitten. Investitionen in die Sicherheit sind der einzige mögliche Weg, um solchen Angriffen zuvorzukommen. Denn politische Lösungen gibt es keine.
Kann man die Angreifer dingfest machen? Es soll ein Erpresserschreiben kursieren…
Man wird sie nicht fassen können, da sie über Drittcomputer agieren. Und wenn Sie mich nun fragen, wer dahinter steckt, kann ich Ihnen nur so viel sagen: Bei den früheren Angriffen hätte ich auf Mitbewerber getippt. Die aktuelle Attacke ist aber so breit angelegt – sie hat ja beispielsweise auch die SBB betroffen –, dass ich mir keinen Reim auf den Urheber machen kann. Mehr zu sagen, wäre reine Spekulation.
Sie nehmen nach wie vor Anteil, wenn Digitec Arges widerfährt. Vermissen Sie Ihren alten Job?
Digitec ist für mich wie ein Kind und wird immer ein Teil von mir sein. Aber ich habe 15 Jahre dasselbe gemacht und freue mich nun über meine neue Herausforderung in Bern. Den Schritt in die Politik und die berufliche Veränderung habe ich nie bereut.
Sie waren viele Jahre CEO. Nun müssen Sie sich in Kollektive einbinden. Fällt Ihnen das schwer?
Schon als Manager haben wir im Team gearbeitet und Vernetzungen gefördert. Was ich damals aber nicht gekannt habe, sind die wahnsinnig langen Entscheidungswege. Jeder Politiker ist versucht, neue Vorstösse einzureichen – von denen dann vier Fünftel im Altpapier landen. Dass man nicht mehr Zeit in Vorabklärungen investiert, diese Leerläufe, ernüchtert mich sehr.
Der Zmorge der Schweizer Armeeangehörigen liegt mir ja auch am Herzen. Aber dieses Geschäft hätte ich wohl als letztes in Bern behandelt.
Welches Geschäft hätte sich der Rat in dieser Session sparen können?
Wenn Sie mich nach Sinn und Unsinn der aktuellen Geschäfte fragen, vermisse ich die in der Privatwirtschaft gängige Priorisierung von Entscheidungen. Ein Beispiel: Letzte Woche haben wir über eine Regulierung des Milchkonsums der Armeeangehörigen debattiert. Mir liegt der Zmorge der Schweizer Armeeangehörigen ja auch am Herzen. Aber dieses Geschäft hätte ich wohl als letztes in Bern behandelt. Geradezu absurd war das Verhalten der SVP. Am einen Tag will sie das Frühstück im Militär zwangsregulieren, am anderen fordert sie, mit Blick auf die Leitzins-Senkung der EZB, mehr Deregulierung in der Euro-Zone.
Welches Geschäft liegt Ihnen am Herzen?
Eines, das aus meiner Sicht falsch herausgekommen ist: die Initiative für Ernährungssicherheit. Sie steht schon mit anderen Worten in der Verfassung und ist so vage formuliert, dass unklar ist, was sie genau bedeutet. Die Macht der Bauernlobby ist beeindruckend.
Mit welchen Parlamentariern haben Sie wider Erwarten das Heu auf der gleichen Bühne?
Lustig war es unter anderem mit Balthasar Glättli (Grüne/ZH). In vielen politischen Themen haben wir sehr gegensätzliche Standpunkte. Aber nachdem wir in der Sicherheitskommission drei Mal in Folge gleich abgestimmt haben, bin ich lachend auf ihn zugegangen mit den Worten: «Schau nur, wenn wir lange genug suchen, finden auch wir Gemeinsamkeiten.» Ähnlich geht es mir mit Jonas Fricker (Grüne/AG). Was uns trennt, sind die politischen Wertvorstellungen. Aber im Persönlichen finden wir uns durchaus, auch auf dem Fussballplatz.
Mit wem stimmt die Chemie weniger?
Es gibt auch einige wenige kompliziertere Parlamentarier. Aber diese Menschen gibt es überall und nicht nur in Bern.
Seit Sie 2014 Ihre Firma verlassen haben, sind Sie quasi Berufs-Politiker. Wie geht es weiter?
Nach dem Wahlkampf, ersten Bob-Weltcuperfahrungen und zwei Sessionen fühle ich mich bereit, eine neue berufliche Herausforderung anzutreten. Welche das sein soll, ist noch nicht spruchreif. Ich freue mich aber auf diese neuen Herausforderungen.
Das Gespräch führte Christine Spiess
Sendebezug: SRF 4 News, 01:30 Uhr; 15.03.16