In der laufenden Session hat der Ständerat für eine Spaltung gesorgt. Abermals hat er seine Haltung bekräftigt, wonach der Bundesrat die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien erst dann ratifizieren soll, wenn mit der EU eine Regelung zur Steuerung der Zuwanderung besteht, die mit der schweizerischen Rechtsordnung vereinbar ist.
Risiko: bundesrätlicher Wankelmut
Der Nationalrat möchte den Bundesrat ohne Auflagen zur Ratifikation des Kroatien-Protokolls ermächtigen. Nun muss die Einigungskonferenz eine Lösung finden.
Im Grunde entspricht die ständerätliche Forderung der Argumentation auch des Bundesrates. Der Ständerat fürchtet aber, der Bundesrat könnte unter dem Druck der Forschungs-Lobbyisten einbrechen und das Protokoll ohne Lösung der Zuwanderungsfrage ratifizieren.
Das würde nach Auffassung des Ständerates die Verfassung verletzen. Denn der neue Zuwanderungsartikel verbietet die Ratifizierung neuer völkerrechtlicher Verträge, die dem Artikel widersprechen.
Angst vor Brüssels Forschungs-Peitsche
In den Räten standen verschiedene Formulierungen der Bedingung zur Diskussion. Im Nationalrat fand sich aber keine Mehrheit dafür, dem Bundesrat Auflagen zu machen. CVP, FDP, GLP und Grüne sprachen sich dagegen aus. Als Grund wurde die Sorge um die Forschungszusammenarbeit genannt, die gefährdet sei, wenn die Schweiz die Personenfreizügigkeit nicht rasch auf Kroatien ausdehne.
Tatsächlich sistierte Brüssel die Teilnahme der Schweiz an der europäischen Forschungszusammenarbeit Horizon 2020, weil die Schweiz nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative das Kroatien-Protokoll zunächst nicht unterzeichnete.
Später wurden die beiden Themen in einem Übergangsabkommen verknüpft. Wird das Kroatien-Protokoll bis zum 9. Februar 2017 ratifiziert, ist die Schweiz voll assoziiertes Mitglied von Horizon 2020. Andernfalls hat sie den Status eines Drittstaates.
Das Ei vor dem Huhn?
Justizministerin Simonetta Sommaruga stellte sich im Parlament nicht gegen eine explizite Bedingung. Eine solche in einem Bundesbeschluss zu verankern, sei eher unüblich. Eher unüblich sei allerdings auch, dass der Bundesrat dem Parlament einen Vertrag zur Genehmigung unterbreite, bevor die Voraussetzungen zur Ratifikation gegeben seien.
Der Bundesrat habe das wegen des Zeitdrucks getan. Klar sei jedoch, dass die Ratifikation des Kroatien-Protokolls eine Lösung des Normenkonflikts voraussetze. Der Bundesrat müsse die Verfassung einhalten.