In der Schweiz soll nur noch eingebürgert werden, wer gut integriert und mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten vertraut ist. Ferner darf er oder sie keine Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit darstellen. Wer den Schweizer Pass möchte, soll sich nach dem Willen des Nationalrats im Alltag «in Wort und Schrift» in einer Landessprache «gut verständigen» können.
All dies soll im Bürgerrechtsgesetz verankert werden, als materielle Voraussetzung für die Einbürgerung. Der Nationalrat hat dem zugestimmt - und auch umschrieben, was mit «Integration» gemeint ist. Eine erfolgreiche Integration zeigt sich demnach insbesondere im Beachten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der
Respektierung der Werte der Bundesverfassung.
Ohne Niederlassungsbewilligung, kein CH-Pass
Wer keine Niederlassungsbewilligung hat, soll in der Schweiz künftig nicht mehr eingebürgert werden können. So will es der Nationalrat weiter. Er hat sich mit 129 zu 59 Stimmen für diese Änderung des Bürgerrechtsgesetzes ausgesprochen.
SP und Grüne setzten sich vergeblich dafür ein, die Bestimmung aus der Vorlage zu streichen.
Die bürgerliche Mehrheit erachtete es als sinnvoll, die Niederlassungsbewilligung zur Voraussetzung für die Einbürgerung zu machen. Justizministerin Simonetta Sommaruga wies darauf hin, dass der Bundesrat im Gegenzug plane, im Ausländergesetz einen Rechtsanspruch auf die Niederlassungsbewilligung zu verankern.
Beschlüsse im Überblick:
- Keine Einbürgerung, ohne Niederlassungbewilligung
- Mindesaufenthaltsdauer für Einbürgerung neu bei zehn Jahren
- Aufenthaltsjahre zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr werden für Mindestaufenthaltsdauer nicht mehr doppelt gezählt.
- Keine Einbürgerung von Ehegatten nach 5 Jahren Aufenthalt, wenn der andere ebenfalls ausländische Ehegatte Voraussetzungen für Einbürgerung erfüllt und sie gemeinsam ein Einbürgerungsgesuch stellen.
- Über Einbürgerungsgesuche sollen auch in Zukunft Stimmberechtigte an Gemeindeversammlung entscheiden können, wenn das kantonale Recht dies vorsieht.
- Einbürgerungswillige müssen den Stimmberechtigten die Religionszugehörigkeit nicht angeben.
- Keine Einbürgerungen nur auf Probe
Bissige Debatte
Aus Sicht der Linken geht die Revision viel zu weit. Die vorberatende Kommission habe die Vorlage des Bundesrates massiv verschärft, sagte Silvia Schenker (SP/BS). Die geplanten Änderungen würden dazu führen, dass jährlich 5500 Personen weniger eingebürgert würden als heute. Die SP-Nationalrätin sprach von «Bürgerrechtsverweigerung».
«Wir diskutieren nicht über kriminelle Ausländer, Asylsuchende oder Zuwanderung», betonte Schenker. «Wir reden über Menschen, die seit Jahren hier leben, hier arbeiten und hier Steuern zahlen.» Die Schweiz habe ein Interesse daran, Zugewanderte zu Schweizerinnen und Schweizern mit vollen Rechten und Pflichten zu machen.
Empörung auf beiden Seiten
Hans Fehr (SVP/ZH) warf der Linken daraufhin vor, sie wolle «Masseneinbürgerungen». Das Schweizer Bürgerrecht sei weltweit etwas Einzigartiges. Es dürfe nicht sein, dass jemand eingebürgert werde, der eigentlich ausgeschafft gehöre. «Wir haben es satt, dass es dann am Radio heisst, es war ein Schweizer. Und nachher findet man heraus, dass er andere Wurzeln hatte.»
Balthasar Glättli (Grüne/ZH) konstatierte, diese «Schweizermacherei» mit dem Idealbild des «richtigen Schweizers» sei absurd. In den SVP-Voten höre er ein «Echo aus der dumpfen Zeit des Nationalsozialismus», nach dem Motto «die Fremden sind unser Unglück». Die SVP-Vertreter reagierten mit Empörung auf diesen Vergleich.
Nur gut Integrierte einbürgern
Die Vertreter der anderen bürgerlichen Parteien bemühten sich nach dem Schlagabtausch um Sachlichkeit. Derzeit seien die Verfahren für die Einbürgerung in den Kantonen sehr unterschiedlich ausgestaltet, gaben sie zu bedenken.
Es sei nicht das Ziel der Reform, die Einbürgerungszahlen zu senken, sagte Philipp Müller (FDP/AG). Die Zahlen seien ohnehin bereits gesunken, da weniger Gesuche gestellt würden. Es brauche aber eine Harmonisierung der Verfahren. Die heutige Situation sei unbefriedigend.
Martin Bäumle (GLP/ZH) warf sowohl der Linken als auch der Rechten vor, extreme Forderungen zu stellen. Die Grünliberalen würden sich für einen Zwischenweg einsetzen, kündigte er an. Sie würden sich weitgehend an die Vorschläge des Bundesrates halten. Einige der Verschärfungen, welche die Kommission vorgenommen habe, gingen ihnen zu weit. So sei es ein Fehler, Jugendlichen die Einbürgerung zu erschweren.
Auch Justizministerin Simonetta Sommaruga sprach sich gegen zusätzliche Hürden aus. Aus Sicht des Bundesrates eigne sich das Bürgerrecht nicht für Symbolpolitik, stellte sie fest. Es gehe um die Harmonisierung der Verfahren. Und es gehe darum, jene einzubürgern, die erfolgreich integriert seien. Auf dieses Ziel könnte man sich doch bei allen politischen Differenzen einigen.
Frühestens nach zehn Jahren
Im Bürgerrechtsgesetz möchte der Bundesrat ausserdem im Gegenzug die Mindestaufenthaltsdauer für die Einbürgerung von heute zwölf auf acht Jahre senken. Der Nationalrat ist damit aber nicht einverstanden.
Nach seinem Willen soll den Schweizer Pass nur beantragen können, wer insgesamt zehn Jahre in der Schweiz gelebt hat, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor der Einreichung des Gesuchs. Die SVP setzte sich für zwölf Jahre ein, die Ratslinke für acht Jahre.
Hürden für Jugendliche erhöht
Gegen den Willen des Bundesrates und der Linken erhöhte der Rat ferner die Hürden für Jugendliche. Heute werden die Jahre, während welcher eine Person zwischen dem zehnten und dem zwanzigsten Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer doppelt gezählt. Der Bundesrat möchte zusätzlich ins Gesetz schreiben, dass tatsächliche Aufenthalt mindestens sechs Jahr betragen muss.
Der Nationalrat will jedoch die Erleichterung für Jugendliche streichen. Dies entschied er mit 103 zu 77 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Eine Einbürgerung entscheide nicht über Tod und Leben, es handle sich auch nicht um ein Menschenrecht, sagte Hans Fehr (SVP/ZH).
Jugendliche aus «anderen Kulturen»
Marco Romano (CVP/TI) gab zu bedenken, die Einbürgerung sei nicht ein Mittel zur Integration. Die Änderung sei auch wegen der «Abstammung der Familien» gerechtfertigt. Anders als früher stammten die eingewanderten Familien nicht mehr aus den Nachbarländern. Auch Kurt Fluri (FDP/SO) stellte fest, heute kämen Jugendliche «aus anderen Kulturen» in die Schweiz. Dies führe häufig zu Konflikten, es handle sich nicht um Einzelfälle.
SP, Grüne und Grünliberale argumentierten vergeblich, die Schweiz habe ein grosses Interesse daran, Jugendlichen die Integration zu erleichtern. Diese hätten die Schulen in der Schweiz besucht, gab Martin Naef (SP/ZH) zu bedenken. Es gehe um die politische und soziale Teilhabe hier integrierter Menschen.
Abgelehnt hat der Rat einen Antrag der Linken zur Einbürgerung von Ehegatten. Demnach sollte für einen Ehegatten ein Aufenthalt von fünf Jahren genügen, wenn der andere Ehegatte die Voraussetzungen erfüllt und die Ehegatten gemeinsam ein Einbürgerungsgesuch stellen.
Religionszugehörigkeit bleibt geheim
Über Einbürgerungsgesuche sollen auch in Zukunft die Stimmberechtigten an einer Gemeindeversammlung entscheiden können, wenn das kantonale Recht dies vorsieht. Der Nationalrat sieht darin kein Problem.
Umstritten war auch, welche Daten die Einbürgerungswilligen den Stimmberechtigten bekannt geben müssen. Der Rat entschied sich für den Vorschlag des Bundesrates: die Staatsangehörigkeit, die Aufenthaltsdauer sowie Angaben zur Integration.
Die SVP wollte, dass Einbürgerungswillige auch die Religion bekannt geben müssen. Für einen «echten Muslim» sei der Islam nicht einfach eine Religion, sondern ein dichtes Regelwerk von Normen, die sich im Alltag massiv auswirkten, sagte Hans Fehr (SVP/ZH) dazu.
Keine Einbürgerung auf Probe
In der Gesamtabstimmung stimmte der Nationalrat stimmte der Vorlage mit 80 zu 61 Stimmen bei 40 Enthaltungen zu, nachdem er in allen Punkten seiner vorberatenden Kommission gefolgt war. Aufgrund der Absage einer Einbürgerung auf Probe enthielt sich ein Grossteil der SVP-Vertreter der Stimme.
Nun muss der Ständerat über die Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes befinden.