SRF: Der Nationalrat wählt bei der Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative den sehr strikten Weg. Wie schlimm ist diese Lösung aus Ihrer Sicht?
Bundesrätin Simonetta Sommaruga: Der Nationalrat hat mehrere wichtige rechtsstaatliche Grundsätze in Frage gestellt. Das ist bedenklich, weil rechtsstaatliche Grundsätze die Basis eines Rechtsstaates sind. Daran müssen wir festhalten.
Den Ausschlag zur sehr strikten Umsetzung gaben die Mitteparteien FDP und CVP. Warum konnten Sie sie nicht vom Gegenteil überzeugen?
Offenbar entschieden sie nach taktischen Überlegungen. Sie wollten der Durchsetzungs-Initiative den Wind aus den Segeln nehmen und hoffen, dass die Richter die Entscheide des Parlamentes später korrigieren werden. Das ist bedenklich: Das Parlament muss selber Entscheide fällen und darf die Arbeit nicht den Richtern überlassen.
Ist es realistisch anzunehmen, die Richter würden sich dann schon weigern, Menschen strikte auszuschaffen und darauf bestehen, jeden Fall erst genau anzuschauen?
Die Gerichte sind an unsere Bundesverfassung und an das Völkerrecht gehalten. Sie werden abwägen müssen zwischen dem, was das Parlament hier in einem Gesetz geschrieben und immerhin auch Volk und Stände entschieden haben, und dem in der Bundesverfassung festgeschriebenen Prinzip der Verhältnismässigkeit. Das wird eine schwierige Situation für die Richter. Es ist auch für die Glaubwürdigkeit der Institutionen nicht hilfreich, wenn das Parlament seine Verantwortung nicht wahrnimmt und den verschiedenen Artikeln in der Verfassung nicht Rechnung trägt.
Jetzt kommt noch der Ständerat: Erwarten Sie, dass er den Entscheid nochmals korrigieren wird?
Wir werden selbstverständlich dafür kämpfen, dass unser Land sich an die Bundesverfassung und seine völkerrechtlichen Verpflichtungen hält. Das ist die Basis eines Rechtsstaates und dafür werde ich mich einsetzen.
Das Interview führte Dominik Meier