Mit dem Ja zur Abgabe rezeptpflichter Medikamente durch Apotheken hat der Ständerat heute einen weiteren Teil der Heilmittelgesetzrevision bereinigt. Wie die grosse Kammer bereits im Frühling entschieden hat, müssen Apotheker oder Apothekerin mit dem Kunden ein persönliches Beratungsgespräch führen. Ebenso soll der Bundesrat eine Liste mit den in Frage kommenden Medikamenten erstellen.
Gesundheitspolitiker Felix Gutzwiller (FDP/ZH) plädierte für «medizinisches Augenmass»: Medikamente, die für jeden Patienten speziell eingestellt werden müssten, dürften keinesfalls direkt in der Apotheke abgegeben werden.
Patienten können auf Rezept verzichten
Der Ständerat schwächte zudem die von der grossen Kammer zur Wahlfreiheit der Patienten und zum Ärger der Ärzteschaft beschlossene Rezeptpflicht ab: Grundsätzlich soll der Arzt zwar ein Rezept ausstellen müssen, der Patient soll aber darauf verzichten können.
Eine Rezeptpflicht sei «protektionistisch» und widerspreche dem Ziel der ganzen Revision, kritisierte Roland Eberle (SVP/TG). Gutzwiller bezeichnete es als «Zumutung» für die Ärzte, wenn diese in jedem Fall ein Rezept ausstellen müssten. Es würden hohe Kosten verursacht, ohne dass ein Nutzen erkennbar sei.
Gegen Einschränkung für Versandapotheken
Welche Regeln für Versandapotheken gelten sollen, ist zwischen den Räten ebenfalls umstritten. Heute ist der Verkauf von Arzneimitteln auf Bestellung nur erlaubt, wenn ein Rezept vorliegt, auch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Der Nationalrat hatte beschlossen, dass das Rezept zusammen mit der Bestellung eingereicht werden muss. Damit will er die heutige Praxis unterbinden, dass die Versandhandlung das Rezept selber besorgt.
Der Ständerat will es beim geltenden Recht belassen. Hans Stöckli (SP/BE) wies vergeblich darauf hin, dass dieses selbst bei Ärzten als «Kunstfehler» gelte. Versandapotheken erfüllten alle Normen und Pflichten, die Patientensicherheit sei gewährleistet, entgegnete Eberle. Was gegen sie vorgebracht werde, seien «Scheinargumente, um einen alten Heimatschutz aufrecht zu erhalten».
Und was passiert mit den «Geschenken»?
Welche Vorteile Ärzte oder Apotheker von der Industrie oder vom Medikamentenhandel entgegennehmen dürfen, ist eine der schwierigsten Fragen im ganzen Gesetz. Der Nationalrat will geringfügige, sozial übliche Vorteile und insbesondere handelsübliche Abgeltungen bei Bestellungen und Lieferungen von Heilmitteln erlauben.
Gemäss dem Konzept des Ständerats sollen die Regeln nur für verschreibungspflichtige Medikamente gelten. Auch er toleriert geringfügige Geschenke und Beiträge an Weiterbildungen sowie Preisrabatte oder Rückvergütungen. Diese sollen allerdings zur besseren Qualität der Therapie eingesetzt oder aber mit Krankenkassen, Spitälern und anderen Kostenträgern geteilt werden.
Diese Aufteilung könne nicht schematisch geregelt werden, erklärte Gesundheitsminister Alain Berset. Es müsse genau geklärt werden, wie die Anreize für die Aushandlung von Rabatten am besten gesetzt werden können. Er versprach, entsprechende Vorschläge mit einem Verordnungsentwurf vorzulegen.
Kein Monopol für neue Medikamente
Die Räte werden sich noch über zahlreiche weitere Differenzen einigen müssen: Bei Arzneimitteln für seltene Krankheiten sollen Pharmaunternehmen nach dem Willen des Ständerats kein Monopol erhalten, wie dies der Nationalrat beschlossen hatte.
Um deren Forschungsanstrengungen zu honorieren, will der Ständerat aber den Zulassungsunterlagen länger Schutz vor Nachahmern gewähren: Generell soll eine Schutzdauer von zwölf statt zehn Jahren gelten und für Kinderarzneimittel von 15 statt zwölf Jahren. Er entschied auch, dass für die Ausdehnung des Unterlagenschutzes für andere Medikamente nicht der Forschungsaufwand ausschlaggebend sein soll, sondern der therapeutische Nutzen.
Auch die vom Nationalrat beschlossene vereinfachte Zulassung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die seit mindestens zehn Jahren in EU- oder Efta-Ländern zugelassen sind, lehnte der Ständerat ab. Ausserdem will er die Ausfuhr von Medikamenten verbieten, die für Hinrichtungen verwendet werden.
Entscheid zu Antibiotika-Datenbank verschoben
Der Ständerat setzt die Beratung in einer Woche fort. Noch offen ist insbesondere der neue Vorschlag seiner Gesundheitskommission für eine Antibiotika-Datenbank in der Tiermedizin.