- Darum geht es
Die Bilder des verheerenden Erdbebens vom 24. August in Mittelitalien sorgten für Entsetzen. Fast 300 Tote waren zu beklagen, das Städtchen Amatrice glich nach dem Beben der Stärke 6.2 auf der Richterskala einer Mondlandschaft. Die massiven Verwüstungen waren wohl auch der teils schlechten Bausubstanz geschuldet.
Doch Amatrice ist näher, als man denkt: «Es ist ein typisches Beben, wie es auch bei uns vorkommen kann», sagt Stefan Wiemer, Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED). Die Schweiz teile mit Italien die gleiche Grenze der Kontinentalplatten und das Erdbebenrisiko.
Die Schäden eines Jahrtausendbebens, wie es sich 1356 in Basel ereignete, schätzen Rückversicherer auf 50-100 Milliarden Franken – die Kosten müssten wohl durch die öffentliche Hand mitgetragen werden.
Für Politiker aus den Risikogebieten Basel und Wallis ist klar: Es braucht eine landesweite, obligatorische Versicherung. Beim neuesten politischen Vorstoss handelt es sich um eine Standesinitiative des Kantons Basel.
Einzelne Kantone sprachen sich schon in der Vergangenheit gegen eine obligatorische Erdbebenversicherung aus; für eine Regelung auf Bundesebene bräuchte es laut Bundesrat und Umweltkommission des Ständerats eine Verfassungsänderung.
- Das Resultat
Der Ständerat folgt seiner Kommission und lehnte die Standesinitiative mit 23 zu 18 Stimmen (bei einer Einhaltung) ab. Kommissionspräsident Werner Luginbühl (BDP/BE) versprach, auf ein Einvernehmen unter den Kantonen hinzuwirken.
- Die Argumente der Befürworter
Die Befürworter einer Erdbebenversicherung argumentierten im Ständerat, dass die Schäden eines grossen Erdbebens die finanziellen Kapazitäten der betroffenen Regionen klar übersteigen würden. Beat Rieder (CVP/VS) warnte die Räte davor, auf das Prinzip Hoffnung für eine föderale Einigung zu setzen. Denn Zuwarten könne sich bitter rächen.
Der Glaube, die öffentliche Hand könne ein Extremereignis mit Schadensvolumen von 80 bis 100 Milliarden auffangen, sei illusorisch, so der Walliser. Das zeigten Erdbebengebiete in Italien, wo der Wiederaufbau bei Brücken und Strassen voranginge, während daneben abbruchreife Privathäuser stünden. Rieder schloss: «Wir sind in der Schweiz gegen alles versichert, aber ausgerechnet bei der zerstörerischsten Naturgefahr wehren wir uns.»
Auch Claude Janiak (SP/BL) verwahrte sich vor dem Argument des Hauseigentümerverbands, der Bund würde im äussersten Fall schon einschreiten. Anita Fetz (SP/BS) appellierte an die eidgenössische Solidarität. Und bei der heutigen wirtschaftlichen Verflechtung sei es ohnehin illusorisch zu glauben, dass die Schäden regional begrenzt seien.
- Die Argumente der Gegner
Für Kommissionspräsident Luginbühl hat eine eidgenössische Erdbebenversicherung im politischen Prozess derzeit keine Chance: Die Mehrheit der Kantone wünsche eine föderale Lösung, der Hauseigentümerverband würde in einem Abstimmungskampf sein Gewicht in die Waagschale werfen und angesichts der vermeintlichen Aussichtslosigkeit des Unterfangens würden auch die Versicherer frühzeitig abspringen.
Auch Stefan Engler (CVP/GR), Mitglied der Verwaltungskommission der Gebäudeversicherung Graubünden, sprach sich für eine föderale Lösung aus: «Aber es braucht einen Schub unter den Kantonen, damit sie zu einer Verständigung kommen.» Denn es gebe ein gesellschaftliches Empfinden, das den Gebäudeschutz bei Erdbeben für zu gering erachte.
Hannes Germann (SVP/SH), Vorstandsmitglied des Schweizer Hauseigentümerverbandes, argumentierte, dass ein Obligatorium nicht auf die Hausbesitzer, sondern auch auf die Mieter durchschlagen würde. Ohnehin sprenge ein Jahrtausendbeben jede Dimension: «Versuchen Sie mal, sich gegen Krieg oder einen Meteoriteneinschlag zu versichern.» Irgendwo müsse man beim Versichern auch eine Grenze ziehen, schloss Germann.
- So geht es weiter
Als nächstes wird sich der Nationalrat zum Vorstoss äussern. Versenkt auch er die Basler Standesinitiative, ist die eidgenössische Erdbebenversicherung vorderhand vom Tisch. Zumindest, falls sich die Kantone nicht einigen können.