Der Nationalrat will Asbestopfer und andere Opfer von Spät- und Langzeitschäden besser stellen. Er hat sich als Erstrat dafür ausgesprochen, dass Spätschäden an Personen erst nach 20 Jahren verjähren sollen statt wie heute nach 10 Jahren.
Der Bundesrat hatte eine Frist von 30 Jahren vorgeschlagen. Das war dem Nationalrat jedoch zu lang. Er entschied sich mit 111 zu 80 Stimmen für eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Chancenlos waren Minderheitsanträge der Linken für eine Verjährungsfrist von 50 Jahren oder gar den Verzicht auf eine absolute Verjährungsfrist.
Die Gegner einer längeren Frist verwiesen auf den bürokratischen Aufwand, der dadurch ausgelöst würde, da Akten etwa von Unternehmen länger aufbewahrt werden müssten. Alec von Graffenried von den Grünen gab zu bedenken, dass eine 30-jährige Verjährungsfrist Probleme mit sich bringe, da angesichts der Beweisschwierigkeiten kaum Fälle rekonstruiert werden können.
Eine Frist von unter 30 Jahren sei «fern von gut und böse», kritisierte hingegen Daniel Vischer (Grüne/ZH). Damit werde die Vorlage torpediert, da es im entscheidenden Punkt keine Änderung gebe.
Bei der 30-jährigen Frist handle es sich um einen Kompromissvorschlag, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Damit werde sowohl den berechtigten Interessen des Opfers als auch des Schädigers Rechnung getragen.
Zwar gebe es Asbestopfer, die erst 40 Jahre nach dem Kontakt mit Asbest erkrankten, sagte von Graffenried weiter. Für diese schlägt die Kommission die Einrichtung eines Fonds vor. Die entsprechende Motion soll in einer späteren Session behandelt werden.
Was ist mit der Handystrahlung?
FDP-Nationalrätin Christa Markwalder plädierte letztlich erfolgreich für eine kürzere Frist und wagte in ihrer Rede einen Blick in die Zukunft: «Dass der direkte Kontakt mit Asbestfasern zu Asbestose führen kann, hat dazu geführt, dass 1990 in der Schweiz ein Verbot zur Verwendung von Asbest erlassen wurde. Somit ist der Kreis der potenziell Asbestgeschädigten in der Schweiz eingegrenzt. Wir wissen heute jedoch noch nicht, wohin sich die Technologien in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden und welche Körperschäden von Nanotechnologie, Handystrahlung, Feinstaub usw. ausgehen können, die dann auch Schadenersatzforderungen für die Verursacher haben werden.»
Mit einer absoluten Verjährungsfrist für Körperschäden von dreissig Jahren, so Markwalder, würde man deshalb im Verjährungsrecht die Büchse der Pandora öffnen, ohne Gewähr zu haben, dass die Opfer tatsächlich besser gestellt werden.
«Viele neue Unsicherheiten»
Eine Minderheit aus FDP und SVP hätte gar nicht erst auf die Vorlage eintreten wollen. Ziel des Bundesrates sei es ursprünglich gewesen, das Verjährungsrecht zu vereinfachen, rief Yves Nidegger (SVP/GE) in Erinnerung. Der vorliegende Vorschlag erfülle dieses Ziel aber nicht - im Gegenteil: Es würden viele neue Unsicherheiten geschaffen.
Die Revision des Verjährungsrechts verkomme zu einer «Lex Asbest», doppelte Luzi Stamm (SVP/AG) nach. Dabei sei das heutige System in der Schweiz «fantastisch». Der Nationalrat entschied sich jedoch mit 104 zu 86 Stimmen für Eintreten.
Nicht nur für Asbestopfer
Sommaruga wies auch den Vorwurf zurück, es handle sich um eine Asbestvorlage. Vielmehr sei es eine «Vorlage für die Zukunft». Kommissionspräsident von Graffenried verwies darauf, dass die Verlängerung der Frist nicht nur Asbestopfer treffe.
Er verwies auf die Brandkatastrophe in Gretzenbach SO im Jahr 2004: Sieben Feuerwehrmänner starben damals, als eine Decke einbrach - die Fehler beim Errichten der Überbauung waren bereits verjährt.