Diskussionen und – es liegt auf der Hand – rauchende Köpfe sind vorprogrammiert: Das neue Bundesgesetz über die Tabakprodukte ist heute Donnerstag grosses Thema im Ständerat. Der Bundesrat möchte Tabakwerbung im Kino und auf Plakaten weitgehend verbieten.
Ein Angriff auf die freie Marktwirtschaft oder ein längst fälliger Versuch, die gesundheitlichen und finanziellen Folgen des Tabakkonsums zu minimieren? Hans-Ulrich Bigler, FDP-Nationalrat und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes und SP-Ständerat Hans Stöckli sind sich höchst uneins.
Die Zahl der Raucher in der Schweiz liegt relativ stabil bei 25 Prozent. Lässt sich dieser Anteil überhaupt senken?
Hans Stöckli: Leider ist die Zahl der jugendlichen Raucherinnen und Raucher in den letzten Jahren von 22 auf über 25 Prozent – in der Westschweiz sogar auf über 30 Prozent – gestiegen. Mit gezielten Marketing-Einschränkungen lässt sich dieses Wachstum signifikant um über 4 Prozentpunkte senken.
Hans-Ulrich Bigler: Der Tabakkonsum in der Schweiz sinkt seit Jahren und diese Tendenz dürfte sich fortsetzen. Der Raucheranteil in der Bevölkerung ist in den vergangenen 10 Jahren um etwa 25 Prozent gesunken und beträgt im Jahre 2014 nur noch 24,9 Prozent. Die bisherige Prävention ist erfolgreich. Für weitergehende gesetzliche Einschränkungen und Verbote besteht absolut kein Handlungsbedarf.
An Konzerten und Open-Airs dürfte weiter geworben werden. Wie verträgt sich das mit dem Jugendschutz?
Hans Stöckli: Der Vorschlag des Bundesrates ist ein minimaler und der liberalste aller Nachbarstaaten – umso erstaunlicher ist es, dass sogar dieser frontal bekämpft wird.
Hans-Ulrich Bigler: Der Jugendschutz ist wichtig und dieser wird auch sichergestellt. Ich erinnere an die Werbe- und Vermarktungsbeschränkungen. Tabakwerbung, die sich speziell an Minderjährige richtet, ist gemäss der geltenden Tabakverordnung verboten, und das wird auch bei Kulturveranstaltungen eingehalten. Ferner dienen seit mehr als 20 Jahren Selbsteinschränkungen in der Werbung und Vermarktung von Tabakprodukten dem Jugendschutz. Diese gehen weiter als die bestehenden Regulierungen auf Bundes- und Kantonsebene.
Die Schweiz gilt als Hochburg der Tabakindustrie, die von einer vergleichsweise liberalen Gesetzgebung profitiert. Hat die Tabaklobby zu viel Macht über die Politik?
Hans Stöckli: Leider ist das so – obwohl der volkswirtschaftliche Schaden des Rauchens mit mehreren Milliarden Franken pro Jahr höher ist, als die gesamte Wertschöpfung der Tabakindustrie ausmacht. Ganz peinlich und politisch schädlich wäre es, wenn die Schweiz mit dem Gesetzesvorschlag als Sitzstaat der Weltgesundheitsorganisation deren Konvention, welche von 180 Staaten bereits ratifiziert worden ist, selbst nicht akzeptieren könnte.
Hans-Ulrich Bigler: Das ist Unsinn. Im Gegenteil: Obwohl Tabak ein legales Produkt ist, haben es die Tabakproduzenten und Händler hierzulande sehr schwer. Tabakprodukte werden bereits heute sehr stark reguliert: Deren Ein- und Ausfuhr, Herstellung, Kennzeichnung und Vermarktung unterliegen zahlreichen Einschränkungen und Verboten sowie einer umfassenden staatlichen Aufsicht. Vergessen wir nicht: Der Tabaksektor schafft rund 13‘000 Arbeitsplätze in der Schweiz, und er steuert 1 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei – etwa gleich viel wie die Landwirtschaft.