Vergangenes Wochenende ist Hans-Peter Portmann, Nationalrat aus dem Kanton Zürich, als Erster der FDP in die Offensive gegangen. Er werde sich für eine Verschärfung der Vorlage zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und damit Verfassungsartikel 121a einsetzen, sagte er.
Gestern dann verlautet nach der Sitzung der FDP-Fraktion im Bundeshaus, Portmann sei mit seinem Antrag bei der Partei klar abgeblitzt. Antragsteller Portmann sagt dazu: «Es ist nicht so, dass ich den Antrag nicht einreichen darf. Selbstverständlich reiche ich ihn ein.»
Entweder MEI oder Personenfreizügigkeit
Es geht um den Antrag, dass der Bundesrat dem Parlament schärfere Massnahmen zur Steuerung der Zuwanderung unterbreiten muss, sollte sich die Schweiz im Gemischten Ausschuss mit der EU nicht einigen können. Das würde dann auch Höchstzahlen und Kontingente erlauben, wie sie die Verfassung verlangt, die aber die EU als Verstoss gegen das Personenfreizügigkeitsabkommen betrachtet.
Portmann erläutert: «Das heisst, dass am Schluss entweder das Parlament oder gar das Volk entscheiden kann, ob es die Personenfreizügigkeit oder ob es den Artikel 121a einhalten will. Diesem Artikel hat das Volk auch zugestimmt.»
Das Parlament bekommt demnach nächsten Mittwoch einen Antrag zur Verschärfung aus den Reihen der FDP vorgelegt, dem die Mitglieder der FDP-Fraktion – ausser Portmann selbst – nicht zustimmen sollen, wie die Fraktion gestern beschlossen hat.
Fraktionsdisziplin, aber kein Fraktionszwang
Das dies eine schwer zu verstehende Situation ist, bestreitet Fraktionspräsident Ignazio Cassis nicht: «Auf der einen Seite haben Sie recht, es ist ein komisches Signal. Deshalb brauchen wir eine Fraktionsdisziplin. Es darf aber kein Fraktionszwang herrschen.»
Die FDP-Haltung, den Antrag Portmann abzulehnen, gelte nämlich nur für die Debatte im Nationalrat, betont der Fraktionschef: «Das heisst natürlich nicht, dass der Ständerat nicht die Freiheit hat, noch über die Bücher zu gehen und zu schauen, wie er die Vorlage verbessern kann.»
Das bedeutet, dass sich die FDP in der Wintersession im Ständerat plötzlich doch noch für eine schärfere Steuerung der Zuwanderung aussprechen könnte. Cassis will dies nicht ausschliessen: «Das ist durchaus möglich. Es müsste aber in einem anderen Kontext sein. Was die Fraktion gestern entschieden hat, war für die Fraktion beider Räte zusammen. Es wäre ziemlich komisch, wenn die Ständeräte innerhalb weniger Wochen dann eine andere Meinung hätten.» Einer erneuten Diskussion in einem anderen Kontext aber, in dem andere Elemente eingebracht würden, verschliesse sich die FDP aber nicht.
Fluri hält an «Inländervorrang light» fest
Ungeachtet der sich nun häufenden Kritik hält FDP-Nationalrat Kurt Fluri, Architekt vom «Inländervorrang light», in der «Rundschau» an seinem Kurs fest. Auch wenn die CVP nun kippen und sich auf die Seite der SVP schlagen sollte, glaubt er immer noch an einen Erfolg seiner Idee im Nationalrat.
Eine Missachtung des Volkswillen stellt Fluri klar in Abrede. «Es ist nicht so, dass die Verfassungsbestimmung nicht umgesetzt wird», sagt Fluri. Das Modell könne dazu führen, dass geschätzt 5000 bis 11‘000 Stellen durch Inländer besetzt werden könnten. «Dadurch wird die Migration entsprechend reduziert. Der Inländervorrang führt nicht zu einer völligen Missachtung der Verfassung, sondern zu einer sehr milden Umsetzung.»
Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative sei äusserst schwierig, zumal die SVP selbst nie konkrete Forderungen in Bezug auf Maximalzahlen präsentiert habe.
Eigentlich ist alles offen
Bei der CVP, die selbst in diesen Tagen nicht grade durch Stringenz glänzt, reibt man sich ob dem freisinnigen Hin und Her die Augen. Parteipräsident Gerhard Pfister: «Es gab Anträge aus der FDP, die gestern an mich herangetragen wurden, die genau dem entsprachen, was wir in der Kommission beantragt haben. Die FDP hat dies dort abgelehnt.» Mit anderen Worten: Spätestens bei der Debatte im Ständerat ist so ziemlich alles offen.