SRF News: Im Sport würde man von einem Unentschieden sprechen – die beiden Räte werden sich einfach nicht einig mit ihren Konzepten, wie die Renteneinbussen kompensiert werden könnten. Was braucht es für einen Kompromiss?
Gesundheitsminister Alain Berset: Es ist bereits in vielen wichtigen Punkten ein Kompromiss erzielt worden. So sind sich beide Räte einig, dass eine Reform von 1. und 2. Säule nötig ist, dass es eine Kompensation braucht, und seit heute auch, dass es eine solche in der 1. Säule braucht. Es geht also vorwärts, obschon es schwierig bleibt. Es geht aber um sehr viel, und ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende in beiden Räten eine Mehrheit für eine Vorlage finden werden. Es liegen nun zwei Vorschläge auf dem Tisch, wobei die Nationalratsvariante keine glaubwürdige Alternative ist. Deshalb werden wohl einige Änderungen beim Ständeratskonzept vorgenommen – nicht aber beim zentralen Punkt der Vorlage.
Welche Möglichkeiten von kleinen Anpassungen sehen Sie?
Es gibt noch viele kleine Differenzen zwischen den beiden Räten, was aber auch Handlungsspielraum gibt, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Beim Kern der Geschichte, der Kompensation der Renteneinbussen, liegt nur ein taugliches Konzept auf dem Tisch, jenes des Ständerats mit einer Erhöhung der AHV-Renten [70 Franken mehr für Alleinstehende, Erhöhung der Ehepaar-Renten auf 155 Prozent von zwei Einzelrenten]. Dafür habe ich mich heute in der Debatte auch starkgemacht. Ich glaube, das ist ein gangbarer Weg, wenn man auch bei der Bevölkerung eine Mehrheit gewinnen will.
Die Nationalratsvariante überzeugt niemanden, sie wurde letzten Herbst quasi per Zufall angenommen.
Sie sprechen von einem «Kompromiss». Allerdings müsste gemäss Ihrer Vorstellung der Nationalrat nachgeben – das wäre ja dann kein Kompromiss...
Man darf nicht vergessen, dass die ganze Vorlage ein Riesenkompromiss ist. Das heisst, dass jeweils beim einen oder anderen Punkt in die eine oder andere Richtung entschieden wurde. Auch bei der Kompensation ist es ein Entweder-Oder. Man kann keine Mischvariante machen.
Das Ständeratskonzept ist glaubwürdig und solid, die Nationalratsvariante dagegen überzeugt niemanden. Sie wurde letzten Herbst quasi per Zufall angenommen. Deshalb muss man in diesem Punkt die Ständeratsvariante wählen. In anderen Punkten hat heute auch der Ständerat die Nationalratsversion genommen. Das Ganze ist also ein Kompromiss.
Alle müssen von einer Kompensation profitieren.
Könnte es ein Weg sein, dass der Ständerat als Kompromiss einer kleineren Erhöhung, etwa um 50 Franken oder bloss der Ehepaar-Renten zustimmt?
Nur die Ehepaar-Renten aufzubessern, wäre ungerecht. Denn dann würden nur die gut verdienenden Ehepaare profitieren, die den heutigen Höchstbetrag bereits erreicht haben. Alle anderen Ehepaare würden keine Kompensation erhalten, ebenso Konkubinats-Paare und Alleinstehende. Es müssen aber alle von einer Kompensation profitieren.
Wenn man unter die vorgeschlagenen 70 Franken pro Monat geht, würde der Ausfall der Pensionskassen-Renten nicht vollständig kompensiert. Was das für die Volksabstimmung bedeutet, wissen wir: 2010 hat das Stimmvolk mit fast einer Dreiviertel-Mehrheit zu einer Senkung des Umwandlungssatzes Nein gesagt, obschon die Vorlage in beiden Räten deutlich angenommen worden war.
Das Gespräch führte Dominik Meier.