In der Debatte des Nationalrats wurde schnell klar: Das Thema Organspende ist ein schwieriges. Die Entscheidung für Angehörige ist nicht leicht, die Entscheidung für einen selbst ebenso wenig: Die Beschäftigung mit dem Tod und damit, was danach mit dem Körper geschehen soll, ist unangenehm.
Dass in der Schweiz ein hoher Bedarf an Spenderorganen besteht, war in der grossen Kammer relativ klarer Konsens. Auch die Verbesserungen des Transplantationsgesetzes wurden begrüsst. Als Knackpunkt stellte sich wie erwartet die sogenannte «Widerspruchslösung» heraus, die von einer Minderheit im Nationalrat unterstützt wurde.
«Gap zwischen Angebot und Nachfrage»
Diese hätte bei der Organentnahme nach dem Tod einen Paradigmenwechsel bedeutet: Neu hätten sich eine Person oder ihre Angehörigen explizit gegen eine Entnahme aussprechen müssen. Die Mehrheit stand hingegen von Anfang an hinter dem Grundsatz, dass ein möglicher Organspender oder seine Angehörigen ausdrücklich die Zustimmung zur Organentnahme geben müssen.
Die Befürworter der Widerspruchslösung argumentierten, dass mit einer solchen Regelung Leben gerettet werden könnten. Man appellierte an die Solidarität – und daran, dass jeder womöglich einmal auf ein gespendetes Organ angewiesen sein könnte. «Es gibt einen Gap zwischen Nachfrage und Angebot. Und dieser Gap wird nicht kleiner, sondern grösser», sagte Daniel Stolz (FDP/BS).
Menschen als «Ersatzteillager»?
Man müsse sich fragen, ob die Gesellschaft wirklich einen Anspruch auf Organe habe, meinte hingegen Christian Lohr (CVP/TG). Er warnte davor, dass Menschen bei einem falschen Verständnis als «Ersatzteillager» für andere Menschen angesehen werden könnten.
Es zeigte sich, dass bei gewissen ethischen Fragen die simple Einteilung der Grossen Kammer in «links» oder «rechts» zu kurz greift. Schlussendlich überwogen ethische Überlegungen hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts.
Bereits bestehende Strukturen verbessern
Auch der neue, bereits lancierte Aktionsplan des Bundesrates überzeugte offenbar die Parlamentarier: Es sei besser, bei den bereits bestehenden Strukturen anzusetzen, sagte Marina Carobbio (SP/TI).
Man könne die Ausbildung der Fachkräfte und die Information der Bevölkerung verbessern. Mit solchen Massnahmen seien in anderen Ländern gute Resultate erzielt worden, sagten mehrere Nationalräte. Die Widerspruchslösung alleine hingegen habe nirgends zu einer höheren Spenderquote geführt. Auch Bundesrat Alain Berset bekräftigte diese Haltung.
So hat der Nationalrat mit 107 zu 67 bei vier Enthaltungen dem Standpunkt des Bundesrates und der Teilrevision des Gesetzes zugestimmt – und sich gegen einen radikalen Systemwechsel im Transplantationswesen entschieden.