Noch nicht einmal eine Woche ist es her, seit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf das Gesetz zum Steuerstreit mit den USA vorgelegt hat. Es ist dringlich und soll daher noch in dieser Session abgesegnet werden. Das ist wenig Zeit für den Meinungsbildungsprozess in den Parteien. Entsprechend vorsichtig waren denn bisher auch die Äusserungen der meisten Politiker.
Umso wichtiger waren die Sitzungen von heute Nachmittag. Die Fraktionen hatten erstmals die Gelegenheit, das Steuerstreit-Gesetz zu diskutieren. Noch sind nicht alle Meinungen gemacht. Die Übersicht:
SVP: Strikt dagegen
Die SVP-Fraktion hat ihre harte Haltung zum Gesetz zur Lösung des Steuerstreits mit den USA bekräftigt. Wenn dieses auf der Traktandenliste bleibt, will die Fraktion die Vorlage ablehnen. Die SVP hat darum einen Ordnungsantrag eingereicht, um das Gesetz von der Traktandenliste der jetzigen Session zu streichen.
Bisher hatte sich die Partei zwar deutlich gegen das dringliche Verfahren ausgesprochen, ihre Haltung zur Vorlage selber aber noch offen gelassen.
SP: Eigener Antrag
Eine Mehrheit der SP-Fraktion will das Gesetz ablehnen. Den Ordnungsantrag der SVP will die SP nicht unterstützten – sie stellt einen eigenen Antrag, mit dem sie mehr Informationen zum Deal fordert. Die SVP signalisiert Sympathie für diesen Antrag der Sozialdemokraten. Der Entscheid, die Vorlage abzulehnen, sei mit 29 zu einer Stimme bei sechs Enthaltungen gefallen, sagte Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer vor den Medien.
CVP: Entscheid verschoben
Die CVP will das Gesetz in dieser Session behandeln und nicht verschieben. «Das Parlament soll seine Verantwortung wahrnehmen», sagte Fraktionschef Urs Schwaller dazu vor den Medien. Ob die CVP-Parlamentarier am Schluss Ja oder Nein stimmen, ist allerdings noch unklar. Die Fraktion will darüber erst nach Abschluss der Kommissionssitzungen entscheiden.
Vom Finanzplatz erwartet die CVP-Fraktion allerdings «ein klares Bekenntnis, dass solche fragwürdige Geschäftspraxen in Zukunft nicht mehr betrieben werden», wie es in einer Mitteilung heisst.
Grüne: Erst diskutieren, dann entscheiden
Auch die Fraktion der Grünen hat nur einen Entscheid gefällt: Sie will auf die Beratung des Gesetzes eintreten und lehnt daher die Rückweisung ab. Ob die Partei am Schluss Ja sagt, entscheidet sie aber erst am 17. Juni. Bis dahin müsse der Bundesrat weitere Fakten auf den Tisch legen, heisst es in der Mitteilung. Ausserdem wollen die Grünen mit Anträgen sicherstellen, «dass die betroffenen Banken voll in die Verantwortung genommen werden». Hohe Steuerausfälle für Bund und Kantone sollten vermieden werden, schreibt die Partei weiter.
BDP: Einstimmig hinter Widmer-Schlumpf
Als erste geäussert hatte sich die BDP. Die Fraktionssitzung hat an ihrer Meinung nichts geändert: Die Partei steht hinter dem Vorschlag des Bundesrates zur Beilegung des Steuerstreites und zwar einstimmig. Die Partei sehe keine Alternativen zum vorgeschlagenen Vorgehen und anerkenne zudem die Dringlichkeit des Verfahrens, heisst es in einer Mitteilung. «Wer dies ablehnt, wird auch die Verantwortung übernehmen müssen für die schwer einschätzbaren und möglicherweise gravierenden Folgen.»
FDP: «Es gibt noch eine Million Fragen»
Keinen inhaltlichen Entscheid gab es bei der FDP-Fraktion. Zum Inhalt der Vorlage wie auch zur Frage, ob wirklich das Parlament entscheiden sollte, herrsche grosse Skepsis, sagte Fraktionschefin Gabi Huber (UR) vor den Medien. Ihr zufolge würde die FDP mit dem heutigen Wissensstand «mit grosser Mehrheit» nicht auf das Geschäft eintreten. Allerdings sei es möglich, dass die Haltung noch ändere.
Es brauche es aber mehr Informationen: «Es gibt noch eine Million Fragen.» Die FDP will nun vorerst die Beratungen in den Kommissionen abwarten.
Nächste Hürde am Mittwoch
Noch ist offen, ob das Gesetz zum Steuerstreit im Parlament überhaupt eine Chance hat. Etwas mehr Klarheit könnte der Mittwochvormittag bringen. Dann werden die Nationalräte das erste Mal Stellung beziehen müssen und über die Streichung des Geschäfts von der Traktandenliste abstimmen.
Nimmt die Vorlage auch diese Hürde, entscheidet am Donnerstag die Wirtschaftskommission und am 12. Juni der Ständerat. Am 18. Juni folgt die Plenumsdebatte im Nationalrat.
Bis zum Schluss alles offen
In der letzten Sessionswoche stehen noch zwei weitere Hürden an. In einer zusätzlichen Abstimmung müssen dann beide Räte das Gesetz noch für dringlich erklären.
Das wird besonders schwierig, da bei dieser Abstimmung das absolute Mehr nötig ist. Das heisst, mindestens die Hälfte aller – und nicht nur der anwesenden Parlamentarier – muss Ja sagen.
Ob der Bundesrat mit seinem Vorgehen zur Lösung des Steuerstreits mit den USA durchkommt, weiss man endgültig erst am letzten Tag der Session, nach der Schlussabstimmung.
Kritik an der Geschwindigkeit
Das Gesetz zum Steuerstreit mit den USA würde es den Banken erlauben, Daten an die USA zu liefern, ohne sich in der Schweiz strafbar zu machen. Die Banken könnten auf das Angebot der USA einsteigen, an einem Programm teilzunehmen, das auch Bussen beinhalten würde.
Das Gesetz ist heftig umstritten, weil es der Bundesrat im Eilverfahren durchs Parlament bringen möchte. Kritisiert wird auch, dass offiziell nichts über den Inhalt des Programms bekannt ist, welches die USA den Banken zur Regelung ihrer Altlasten anbiete.