«An diesem Bankgeheimnis werdet Ihr Euch noch die Zähne ausbeissen», schmetterte 2008 der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz Europa entgegen. Gleich mehrere Votanten erinnerten zum Auftakt der heutigen Debatte im Nationalrat an diese Verheissung.
Sieben Jahre später liegt beratungsreif der Automatische Informationsaustausch (AIA) auf dem Tisch, der das Ende des Bankgeheimnisses für ausländische Steuerhinterzieher besiegeln wird. Am Abend hat sich der Nationalrat mit 111 zu 52 Stimmen klar für die Gesetzesänderung ausgesprochen.
Ein Tag für die Geschichtsbücher?
Dies sei ein historischer Moment, sagte Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL), Mitglied der nationalrätlichen Wirtschaftskommission (WAK). Beim Thema Steuertransparenz breche für die Schweiz ein neues Zeitalter an.
Mit Händen und Füssen stemmte sich hingegen die SVP gegen die Vorlage. Der AIA sei ein Unding. «Hierbei geht es nicht um Steuerehrlichkeit, sondern darum, den gläsernen Bürger zu schaffen», entgegnete Thomas Matter (SVP/ZH) gleich zu Beginn der Debatte. Anträge seiner Partei auf Nichteintreten blieben jedoch chancenlos. Denn abgesehen von der SVP befürworten sämtliche Parteien den automatischen Informationsaustausch.
«Unser Massstab ist nicht Dubai»
Auch von Seiten der Banken gibt es keinen Widerstand. Diese haben sich darauf eingestellt, nicht mehr auf das Geschäft mit unversteuerten ausländischen Geldern setzen zu können – spätestens seit der AIA im vergangenen Jahr zum OECD-Standard erklärt wurde. Auch die Schweiz müsse nun diesen Schritt vorwärts machen, so Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, «um eine gute Ausgangsposition zu schaffen für unseren Werk- und Finanzplatz».
Christian Lüscher (FDP/GE) zitierte aus einem Werbeprospekt aus Dubai, wo die einfache und diskrete Ansiedlung von Offshore-Gesellschaften angepriesen wird. Angesprochen auf die AIA-Politik der Schweiz gegenüber solchen Staaten machte Finanzministerin Widmer-Schlumpf deutlich, dass nicht Dubai der Massstab sei. «Unser Benchmark ist Hongkong, Singapur, London, Luxemburg und die USA. Dort wollen wir gleich lange Spiesse haben, damit wir unseren Platz optimal positionieren können.»
Informationen sollen automatisch fliessen
Heute liefert die Schweiz anderen Staaten Informationen über Steuerhinterzieher ausschliesslich auf deren Ersuchen hin. Künftig sollen die Informationen zwischen der Schweiz und bestimmten Partnerstaaten automatisch fliessen.
Schweizer Banken müssten Finanzdaten von Personen und Unternehmen, die in einem anderen Staat steuerpflichtig sind, den Schweizer Steuerbehörden melden. Diese würden die Informationen periodisch an die jeweiligen ausländischen Behörden weiterleiten. Entsprechende Abkommen hat die Schweiz bisher mit der EU und mit Australien unterzeichnet. Darüber wird das Parlament später entscheiden können.
Bankgeheimnis im Inland bleibt unangetastet – vorerst
Vorerst geht es nur um die rechtlichen Grundlagen. Diese sehen neben dem automatischen auch den spontanen Informationsaustausch vor: Die Steuerbehörden sollen von sich aus aktiv werden, wenn sie auf etwas stossen, das einen anderen Staat interessieren dürfte. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.
Nicht betroffen von den Neuerungen ist das Bankgeheimnis im Inland. Die Diskussion darüber wird im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» neu aufflammen, die das inländische Bankgeheimnis in der Bundesverfassung verankern will.