Es ist eine lange Debatte im Nationalrat, zu einer umstrittenen Vorlage. Seit das Volk mit einer knappen Mehrheit im März 2012 die Zweitwohnungsinitiative angenommen hat, wurde die Umsetzung hin und her diskutiert.
Bereits der Ständerat hatte im vergangenen Jahr sehr grosszügige Ausnahmen beschlossen. Die nationalrätliche Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) wollte noch weiter gehen. Die Vorlage drohe zu verwässern, so die Initianten. Heute Dienstag debattiert der Nationalrat – bereits seit acht Uhr in der Früh. Die grosse Kammer hat beschlossen, das Gesetz im Detail zu beraten.
Rückweisungsanträge trotz Kompromiss
Zuvor gab es Rückweisungsanträge – trotz des am Vorabend verkündeten und schriftlich vorliegenden Kompromisses zwischen Vertretern der SVP und FDP mit Vera Weber vom Initiativkomitee, mit dem die Gefahr des Referendums abgewendet ist. Im Gegenzug wollten SVP- und FDP-Vertreter Ausnahmen streichen, für die sie sich zuvor eingesetzt hatten. Dies sei im Sinne einer raschen Umsetzung der Initiative, sagte SVP-Sprecher und Präsident der UREK, Hans Killer.
So sollen laut der Abmachung zum Beispiel bestehende Hotels, die nicht rentieren, nur zur Hälfte zu Zweitwohnungen umgebaut werden dürfen – und nicht ganz. Und auch erhaltenswerte Bauten sollen nicht in jedem Fall vom Umbauverbot ausgenommen werden, sondern nur dann, wenn sie «ortsbildprägend» sind. Inhaltlich kritisierte Bundesrätin Doris Leuthard den Kompromiss als «inkohärent».
Deal sorgt für Kopfschütteln bei anderen Parteien
Die Art des Deals kam bei anderen Parteien schlecht an. SP und Grüne begrüssten zwar die Kompromissbereitschaft, auch wenn sie «spät und nur aus Image-Gründen» erfolge, wie SP-Nationalrätin Jacqueline Badran sagte. Von verschiedenen Rednern kam der Verdacht, die SVP habe im Hinblick auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative den Eindruck vermeiden wollen, den Volkswillen zu missachten.
Auch bei den Bürgerlichen zeigte man sich über den plötzlichen Sinneswandel der SVP irritiert. BDP-Nationalrat Hans Grunder sprach von «taktischen Spielen» auf dem Buckel der Bergregionen. Der Vergleich zur Masseneinwanderungsinitiative wurde öfters gezogen – schliesslich geht es auch bei der Zweitwohnungsinitiative um die Umsetzung des Volkswillens, welche sich schwierig gestaltet.
Ich hoffe, dass wir bei der Masseneinwanderungs-Initiative nicht erst morgens um sieben vom Kompromiss erfahren.
Verdacht: Generalprobe für Masseneinwanderungs-Initiative
Der Berner SVP-Fraktionspräsident und Bauunternehmer Adrian Amstutz monierte, dass der SVP immer vorgeworfen werde, sie bestünde aus «sturen Böcken» – und jetzt sei es bei einem Kompromiss auch nicht recht. Nationalrat und Präsident der Grünliberalen Partei (GLP), Martin Bäumle, konterte: «Ich hoffe, dass wir bei der Masseneinwanderungs-Initiative nicht erst morgens um sieben vom Kompromiss erfahren.»
Auch Bundesrätin und Umweltministerin Leuthard fand klare Worte: «Ich bin froh, wenn es Kompromisse gibt. Wenn das ein Start ist für eine neue Politikkultur im Nationalrat, ist der Bundesrat sicher nicht traurig.» Sie betonte aber, dass der «Ort für Kompromissfindung eigentlich die Kommission» sei – und «nicht ein Hotelzimmer» unter Ausschluss anderer Parteien.
Der Ort für Kompromissfindung ist eigentlich die Kommission – und nicht irgendein Hotelzimmer oder so.
Vorschläge angenommen – morgen geht's weiter
Der Vorschlag, auf Internetplattformen ausgeschriebene Wohnungen zu privilegieren, stammt ursprünglich vom Bundesrat. Daher zeigte sich Leuthard auch erstaunt über die Bereitschaft von FDP und SVP, die Ausnahme zu opfern. Die Einschränkungen für den Tourismus und die Einbussen für die Bauwirtschaft wären massiv. Der von SP, Grünen, SVP und FDP unterstützte Vorschlag wurde jedoch mit 146 zu 42 Stimmen bei sechs Enthaltungen angenommen.
Gegen den Widerstand von links-grün stimmte der Nationalrat hingegen einer neuen Definition von Zweitwohnungen zu. Mit 129 zu 65 Stimmen beschloss er, dass touristisch bewirtschaftete Wohnungen als Erstwohnungen gelten sollen. Dies würde einigen Gemeinden wieder Spielraum für den Bau neuer Zweitwohnungen geben – weil sie unter die in der Vorlage enthaltenen 20-Prozent-Marke fallen.
Der Basler Nationalrat Beat Jans (SP) hatte vergeblich darauf hingewiesen, dass die Kategorisierung von touristisch bewirtschafteten Wohnungen als Erstwohnungen sowohl dem gesunden Menschenverstand als auch dem Sprachgebrauch widerspreche.
Derweil geht die Diskussion um die Flut an Änderungsanträgen am Gesetz im Nationalrat weiter – für die knifflige Debatte ist auch für morgen Mittwoch Zeit eingeplant.