Prostitution ist aktuell in der Schweiz laut dem Bundesrat erlaubt. Er überlässt den Entscheid den Kantonen und diese agieren wie gewohnt nicht einheitlich. Während Sex gegen Geld in Zürich verboten ist, erlaubt es der Kanton Bern.
Die Folge: Sexarbeiterinnen kommen aus anderen Kantonen nach Bern und hoffen, Freier zu finden. Denn ohne Freier gibt es keinen Lohn. Kurzarbeitsentschädigung oder Sozialhilfe können die wenigsten Frauen beantragen.
Sexarbeiterinnen teilen sich ein Zimmer
Laut Alexander Ott von der Fremdenpolizei der Stadt Bern sind im Moment doppelt so viele Frauen wie sonst für die Sexarbeit gemeldet. Es sind bis zu 180 Personen statt wie normalerweise 80 oder 90 Sexarbeiterinnen. Das hat Konsequenzen – insbesondere für die Frauen. Weil der Platz knapp ist, teilen sich viele ein Zimmer, zu dritt oder zu viert. Während eine arbeitet, warten die anderen im Gang. «Das ist eine ungute Situation», so Ott.
«Wir haben aktuell mehr Arbeit», sagt Christa Ammann von Xenia, der Berner Fachstelle für Sexarbeit. Viele Frauen hätten Zukunftsängste oder sie bräuchten Beratung bezüglich Verschuldung. Was die aktuellen Massnahmen angeht, da seien die Meinungen der Frauen geteilt.
Die einen sind froh, dass sie überhaupt noch arbeiten können. Andere fühlen sich im Stich gelassen, weil sie ohne Abendumsatz ein Defizit machen und sich verschulden.
Was würde passieren, wenn auch der Kanton Bern Prostitution verbieten würde? Ein mögliches Szenario zeigt sich in Zürich.
Von der Strasse ins Internet
Die Stadtpolizei Zürich ist aktuell Sexarbeiterinnen auf der Spur, die trotz Verbot ihre Dienste anbieten. In normalen Zeiten erwischt die Polizei die Frauen auf dem illegalen Strassenstrich im Langstrassenquartier. Aktuell sind dort weniger Sexarbeiterinnen unterwegs. Stattdessen wechseln sie ins Internet.
Die Frauen haben seit Dezember nicht nur Anzeigen gegen die Prostitutionsgewerbeverordnung – also das illegale Anschaffen – am Hals, sondern auch wegen Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung.
Dass der Kanton Zürich das Arbeiten jetzt verbietet, wird kritisiert. «Es gibt eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Branchen», sagt Nathalie Schmidhauser von Procore, der nationalen Geschäftsstelle für Sexarbeit. «Andere Branchen mit Körperkontakt dürfen nach wie vor ihre Dienste anbieten.»
Wenn man den Sexarbeiterinnen verbiete, Lohn zu verdienen, müsse man ihnen unter die Arme greifen. Die Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration FIZ schreibt, das Verbot sei nicht verhältnismässig, es sei keine erhöhte Ansteckungsgefahr bekannt. Auf eine Anfrage zur Stellungnahme von SRF reagiert der Kanton Zürich nicht.
Nachts gilt überall Arbeitsverbot
In Bern dürfen sie arbeiten. Das werde sich auch nicht ändern, heisst es von Christian Kräuchi, Sprecher Berner Kantonsregierung. Drei Gründe hätten die Regierung zum Entscheid bewegt:
«Erstens orientiert sich der Kanton Bern bei den Corona-Massnahmen jeweils eng an den Bundesvorgaben. Der Bund hat kein Verbot für Erotikbetriebe erlassen. Zweitens treibt man die Frauen in die Illegalität, wenn man ihnen das Arbeiten verbietet, was die Kontrolle erschwert. Und drittens gelten Betriebszeiten zwischen 6 und 19 Uhr. Das ist nicht die Hauptzeit in diesem Gewerbe.»
Die Regierung hat entschieden, auf das Verbot zu verzichten. Daran ändert sich so schnell nichts.
Falls man die Betriebe jetzt doch schliessen würde, würde sich das Platzproblem nur in andere Kantone verlagern, meint Reto Nause, Stadtberner Sicherheitsdirektor. Für viele Frauen bliebe nur noch die Reise ins Heimatland. Wann und ob sie wieder arbeiten könnten, sei für sie unklar.