Sexualisierte Gewalt und Diskriminierung sind gemäss einer Studie im Auftrag der Schweizer Armee noch weit verbreitet. Ein Opfer ist die Armeeangehörige Nina (Name geändert), die fast 600 Tage Dienst geleistet hat bis zum Grad des Wachtmeisters.
Heute zieht sie eine gemischte Bilanz über ihren Dienst. Auch Gutes habe sie erlebt und viel gelernt: «Ich konnte als Person sehr daran wachsen, habe gelernt, aus mir herauszukommen und auch in angespannten Situationen ruhig zu bleiben und logisch zu denken.»
«Unschöne Momente»
Zu den «unschönen Momenten», wie sie sagt, zählt sie vor allem das Erlebnis mit einem männlichen Kameraden, der sie beim Warten in einem «Duro»-Personenlastwagen während einer Übung sexuell belästigte: «Wir sassen zu dritt hinten drin und mussten auf den nächsten Befehl wartete, als er mir zwischen die Beine fasste und ein einschlägiges Geräusch machte. Das war schon sehr unangenehm.» Der andere Mann habe nichts gesagt. Ob er geschlafen habe, wisse sie nicht genau. Es sei schon dunkel gewesen.
Mehrere Tage schwieg sie nach dem Übergriff, bevor sie den Vorfall gegenüber einem Kollegen erwähnte. Dieser riet ihr zur Meldung. Den zweiten unschönen Moment erlebte sie dann bei der Militärjustiz, die sie befragte: «Ich wurde zum Vorfall befragt, in einem leicht vorwurfsvollen Ton. Sie geben einem nicht das Gefühl, dass man zu Recht aufgewühlt ist, wenn so etwas passiert.»
Was danach mit dem Fall passierte, weiss Nina nicht genau. Nur dass der Mann, der ihr zwischen die Beine griff, blieb – und sie die Kompanie wechselte, weil sie ihn nicht mehr sehen wollte. Doch in der späteren Unteroffiziersschule sei sie dem Mann unvermeidbar wieder begegnet. Es habe aber weder weitere Vorfälle gegeben noch habe sie nochmals mit ihm gesprochen.
Da kann ich mich glücklich schätzen, nur diesen einen Moment erlebt zu haben.
Ebenso unschön sei in der Folge aber auch das Gerede von Männern gewesen mit dem Tenor: «Sie wollte das und schämt sich jetzt». Je länger sie aber bei der Armee diente, desto mehr tauschte sie sich mit anderen Frauen aus. Dabei merkte sie, dass ihr Erlebnis kein Einzelfall war – im Gegenteil: «Da kann ich mich glücklich schätzen, nur diesen einen Moment erlebt zu haben.»
Ob sie anderen Frauen die Armee empfehlen kann, kann Nina nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Sie wisse nur, was es ganz sicher brauche: «Eine dicke Haut, sonst tut's weh. Das kann ich sagen.»