Jede zweite befragte Person gibt in einer Studie an, in der Armee schon Opfer von Diskriminierung geworden zu sein. 40 Prozent der Befragten erlebten schon sexualisierte Gewalt. Korpskommandant Thomas Süssli macht deutlich, dass die Massnahmen zur Nulltoleranz laufend umgesetzt würden.
SRF News: Sind Sie überrascht vom Ausmass dieses Problems in der Armee?
Thomas Süssli: Wir möchten uns ja verbessern, und genau deshalb haben wir diese Studie in Auftrag gegeben. Das jetzige Ausmass hätte ich persönlich so nicht erwartet.
Die Armeeführung bekennt sich schon seit anderthalb Jahren zur Nulltoleranzpolitik. Anscheinend greift diese im Korps noch nicht. Warum nicht?
Ich denke, es greift. Wenn man mit den Jungen spricht, so erzählen diese, bereits in der ersten Woche der Rekrutenschule sensibilisiert worden zu sein. Die Studie geht irgendwo zwischen einem und 30 Jahre zurück. Wir wissen nicht, wann genau etwas passiert ist. Aber wichtig und vorwärtsgerichtet gesprochen: Wir müssen besser werden.
Unsere erfolgreichsten Teams sind die diversen Teams, in denen auch die psychische Sicherheit gewährleistet ist. Reine Machos haben bei uns keinen Platz.
Als Grund für die Diskriminierungen geben die Befragten die Organisationskultur an. Auch von Macho-Kultur ist die Rede. Hat die Armee eine Macho-Kultur?
Die Armee muss Einsätze für die Sicherheit der Schweiz leisten. Unsere erfolgreichsten Teams sind die diversen Teams, in denen auch die psychische Sicherheit gewährleistet ist. Reine Machos haben bei uns keinen Platz. Es ist immer ein Team-Effort. Sei es in einem Infanteriezug, einem Spital oder bei der Rettung. Wir wollen keine Macho-Kultur mehr. Es ist eine Kultur, die wir jetzt verändern müssen.
Das VBS strebt bis 2030 einen Frauenanteil von zehn Prozent in der Armee an. In der Studie geben Frauen an, dass ihnen die Lust am Weitermachen vergangen sei. Wie soll eine höhere Frauenquote erreicht werden?
Das Zehn-Prozent-Ziel bei den Frauen hat sich die Armeeführung im Jahr 2020 selber gegeben, um konkrete Massnahmen definieren zu können. Diese Studie mag vielleicht kurzfristig ein Dämpfer in der Wahrnehmung sein. Aber wenn wir diese Massnahmen jetzt umsetzen, wird es eine Armee für alle, in der sich alle wohlfühlen und ihr Bestes geben können.
Man geht davon aus, dass richtige Inklusion bei einer Quote von 30 Prozent beginnt. Zehn Prozent wäre also das Minimum, damit Inklusion oder Diversität zur Normalität wird.
Wäre die Kultur besser, wenn die Züge gemischt wären und es mehr Frauen geben würde?
Davon bin ich überzeugt. Man geht davon aus, dass richtige Inklusion bei einer Quote von 30 Prozent beginnt. Zehn Prozent wäre das Minimum, damit Inklusion oder Diversität zur Normalität wird.
Was unternehmen Sie nun als Armeechef gegen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt?
Ich bin selbstverständlich das Vorbild. Es beginnt bei mir. Es geht dann zu unseren Mitarbeitenden, es geht zum Berufsmilitär und den Milizkadern durch die ganze Organisation hindurch. Ich werde nicht aufhören, auch vorne hinzustehen und das einzufordern.
Das Problem ist in den Köpfen und in der Gesellschaft. Was braucht es für einen Kulturwandel, der ankommt und ein anderes Frauenbild vermittelt?
Es ist wie überall. Diese Generation muss sich jetzt verändern. Es beginnt in der Rekrutenschule. Es beginnt so, wie wir mit den Rekrutinnen und Rekruten umgehen. Diese werden dann Kader und auch in der Kaderausbildung weiter sensibilisiert. Sie lernen die nötigen Instrumente kennen, um handeln zu können. So können wir diesen Kulturwandel in der Zeit bewältigen.
Das Gespräch führte Andreas Stüdli.