Das Mode-Unternehmen Zalando arbeitet an der virtuellen Umkleidekabine. Mittels 3-D-Bodyscan-Technologie sollen Kundinnen und Kunden bald ihre perfekte Kleidergrösse finden. Keine Hose mehr zu eng, kein Hemd mehr zu klein. Um dieses Ziel zu erreichen, übernimmt der Kleider-Riese das Zürcher Start-up Fision. Die Firma hatte in den letzten Jahren eine Software entwickelt, um die Körpermasse der Kundinnen und Kunden exakt zu eruieren.
Neben der virtuellen Umkleidekabine will Zalando das Einkaufserlebnis weiter revolutionieren und schafft dafür 150 Stellen im Prime Tower in Zürich, wie das Unternehmen jüngst bekannt gegeben hat. Einen ähnlichen Weg geht das Technologie-Unternehmen Facebook. Dieses hat angekündigt, die Zahl der Arbeitsplätze in Zürich auf gut 300 zu verdoppeln und die Forschung zum Beispiel im Bereich der virtuellen Realität auszuweiten.
Zürich gewinnt an Strahlkraft
Facebook und Zalando sind nur die neusten Beispiele für einen wahren Technologie-Schub, den der Standort Zürich in den letzten Jahren erfahren hat. Der Versand-Händler Amazon ist im Frühjahr in ein Gebäude in der Nähe der Bahnhofstrasse eingezogen, Microsoft hat im Neubau Circle am Flughafen eine neue Heimat gefunden und Google ist seit einigen Jahren in der Europaallee beim Hauptbahnhof zu finden, mittlerweile mit rund 4000 Mitarbeitenden.
Diese Entwicklung zeige, dass Zürich sehr attraktiv sei, sagt Sonja Wollkopf Walt, die Leiterin des Standortförderers Greater Zurich Area. «Solche Ansiedlungen sind wichtig, weil sie unseren Wissenschaftsstandort stützen und weitere, innovative Firmen anziehen.» Zudem würden neue Arbeitsplätze zusätzliche Steuereinnahmen generieren und den Technologie-Standort Zürich global zusätzlich vernetzen.
Auch Fabian Streiff, Leiter der Standortförderung im Kanton Zürich, gewinnt der jüngsten Entwicklung viel Positives ab. Grosse Technologie-Konzerne seien ein wichtiger Motor für Neugründungen. Alleine Google sei in Zürich für rund 60 Spin-offs verantwortlich – also für Firmen, die von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegründet wurden. Dies wiederum mache Zürich, so Streiff, auch zum gefragten Tech-Hotspot.
Droht Zürich die Ghettoisierung?
Nur, bei aller Strahlkraft: Fabian Streiff will die globalen Tech-Giganten zu mehr Partizipation verpflichten. «Auch diese Unternehmen sollten ihren Beitrag leisten für die Aus- und Weiterbildung der Arbeitskräfte. Google hat zwar die ersten Lehrlinge ausgebildet, Facebook ist bei den Informatiktagen engagiert.» Das reiche aber noch nicht.
Denn: Immer noch bilden die Tech-Giganten zu wenig Personal selbst aus, sie werben es vielmehr direkt von Universitäten und Hochschulen ab. Mit hohen Löhnen versuchen Facebook, Google und Co. die besten Studentinnen und Studenten schon früh an sich zu binden. Kleinere Unternehmen bleiben auf der Strecke.
Nicht nur das Problem der Talentsuche müsse man im Auge behalten, sagt auch Sonja Wollkopf Walt, sondern auch die Lohnentwicklung in der Branche und die Auswirkungen auf Mieten und Bevölkerungsstruktur der Stadt. In San Francisco etwa haben die Firmen im Silicon Valley dazu beigetragen, dass die ärmere Bevölkerung aus gewissen Stadtteilen wegziehen musste, weil zu viele Gutverdienende die Mieten in die Höhe getrieben haben.
Noch sei man nicht an diesem Punkt, sagt Sonja Wollkopf. Die Durchmischung sei gut, eine Ghettoisierung finde nicht statt. Aber es brauche ein wachsames Auge, um solche Auswirkungen nicht aufkommen zu lassen.