Sie hat etwas Edles mit ihren dunklen Streifen vom Auge bis zur Nase hin, sie ist eine flinke Kletterin und sie zu jagen gehört zur Kür eines Jägers. Allerdings: Die Chance auf eine Gämse zu treffen, wird immer kleiner. Nicht weil sie sich vor den Jägerinnen und Jägern gut versteckt, sondern weil die Gämsenpopulation in der Schweiz rückläufig ist.
Die Jagdstatistik des Bundes weist für das Jahr 2019 rund 90'000 Gämsen aus. Vor 20 Jahren waren es noch gut 100'000.
Werner Zumbühl aus Dallenwil im Kanton Nidwalden beobachtet diesen Rückgang aus nächster Nähe. Wenn er in seinem Jagdgebiet auf die Pirsch gehe, treffe er deutlich weniger auf eine Gams, wie das Tier in der Jägersprache heisst, als noch vor ein paar Jahren.
Kantone limitieren Abschusszahlen der Gämsen
Es ist ein schweizweites Problem. Deshalb greifen viele Kantone seit einigen Jahren ein und limitieren die Abschusszahlen bei der Jagd. So auch der Kanton Nidwalden. Erst kürzlich hat er bekannt gegeben, dass er im Herbst die Abschüsse auf 60 Gämsen reduziert.
Der Jäger ist der Erste, der das Tier schützen und nicht ausrotten will
Werner Zumbühl, Jäger und Präsident des kantonalen Patentjägerverbands, findet es richtig, die Gämsen zu schonen: «Der Jäger ist der Erste, der das Tier schützen und nicht ausrotten will». Wieso die Gämsenpopulation seit Jahren im ganzen Alpenraum zurückgeht, darauf habe man keine klare Antwort, sagt Werner Zumbühl. Genau deshalb scheiden sich über diese Frage auch die Geister.
Nur junge und alte Gämsen schiessen
Einig ist man sich darüber, dass der Rückgang der Gämsen gebremst werden muss. Die Schweizer Jagd- und Fischereiverwalterkonferenz und der Verband «Jagd Schweiz» haben sich deshalb vor vier Jahren auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Die Jägerinnen und Jäger sollten besser darauf achten, dass sie vor allem junge und ganz alte Gämsen schiessen und nicht mittel-alte, weil diese für die Fortpflanzung sehr wichtig sind. Die Kantone ihrerseits verpflichteten sich dazu, ihre Jagdplanung vorsichtiger anzugehen.
«Die Abschusszahlen sollen sich am aktuellen Gämsenbestand orientieren», sagt Dominik Thiel, Mitglied des Ausschusses der Konferenz. Verschiedene Kantone würden mittlerweile bei der Jagdplanung besser auf die Gämsenpopulation Rücksicht nehmen - mit Erfolg: In einzelnen Regionen könne man eine leichte Erholung beobachten.
Die Jagdstatistik der Schweiz zeigt ein ähnliches Bild: Die Abschusszahlen gehen zurück. Trotzdem müssten Kantone und Jäger weiter dranbleiben, so Dominik Thiel.
Wer ist schuld? Jäger, Luchs oder Freizeitsportler?
Die Gämsen sind unter Druck, auch wegen der Jäger. Das weiss David Clavadetscher, Geschäftsführer des Verbandes «Jagd Schweiz». Dass es aber nur an den Jägerinnen und Jägern liegt, will er so nicht stehen lassen.
Das Hauptproblem für die Gams ist die Freizeitgesellschaft.
Auch der Luchs schade den Gämsen und allen voran der Mensch, der vermehrt in den Lebensraum der Gämsen eindringt. Mountainbikerinnen, Kletterer oder in tieferen Lagen Leute mit Hunden. «Das Hauptproblem für die Gams ist die Freizeitgesellschaft, die im Sommer wie im Winter Störungen verursacht».
Tatsächlich würden die Gämse heutzutage häufiger gestört, sagt auch Sara Wehrli von der Naturschutzorganisation «Pro Natura». Es brauche deshalb mehr Information und Sensibilisierung der Freizeitsportlerinnen und -Sportler. Zudem müsse man über die Ausscheidung von zusätzlichen Wildruhezonen im Gebirge nachdenken.