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Simonetta Sommaruga: «Jetzt zuwarten wäre fahrlässig.»
Aus News-Clip vom 09.12.2020.
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Sommarugas Präsidialjahr Strenge Corona-Regeln: Sommaruga sieht Spielraum für Familien

Simonetta Sommarugas Präsidialjahr war stark von der Coronakrise geprägt. Und auch jetzt ist der Bundesrat deswegen wieder unter Druck: Nur noch 5 Personen aus zwei Haushalten sollen sich treffen dürfen: Dieser Plan des Bundesrats trifft Familien hart. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sieht jedoch auch Spielraum für Ausnahmen bei Kindern. Auch der Romandie will sie entgegenkommen, wie sie im «Rundschau Talk» sagt.

Simonetta Sommaruga

Alt Bundesrätin

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Simonetta Sommaruga wurde 1960 geboren. In Luzern liess sie sich zur Pianistin ausbilden. Ihre Konzerttätigkeit und pädagogische Arbeit führte Sommaruga am Konservatorium in Freiburg weiter. Ab 1993 war sie Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, von 2000 bis 2010 deren Präsidentin. Sommaruga war zwischen 1997 und 2005 Gemeinderätin in Köniz und von 1999 bis 2003 Nationalrätin. Von 2003 bis 2010 vertrat die SP-Politikerin den Kanton Bern im Ständerat. Sie war von November 2010 bis Ende Dezember 2022 Bundesrätin. Bis 2018 leitete Sommaruga das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Anschliessend war sie Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

Bild: Keystone/Urs Flüeler

SRF News: Höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten dürfen sich treffen. Nicht einmal im Lockdown hat der Staat den Menschen derart einschneidende Vorschriften gemacht.

Simonetta Sommaruga: Nun, jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist ein Risiko weniger, dass man sich ansteckt. Wir sagen aber auch, dass die Limite in den Weihnachtstagen erhöht ist. Auch wir haben ja das Bedürfnis, in diesen Tagen Menschen zu treffen. Aber diese Massnahmen sind leider jetzt nötig, um die Zahlen in den Griff zu bekommen.

Wir werden die Frage mit den Kindern nochmals genau anschauen.

Bei einer vierköpfigen Familie könnte also nur ein Kind zum Spielen kommen?

Wir haben ja gestern diesen Entschied gefällt, die detaillierte Verordnung wird am Freitag kommen. Wir werden das dafür nochmals präzisieren und die Frage, wie man mit den Kindern umgeht und bis zu welchem Alter sie als Kinder zählen, nochmals präzise anschauen. Wenn man selber Kinder hat, weiss man, dass die sich treffen wollen. Aber mittlerweile wissen die Menschen ja auch, was wirkt: Viele Kontakte führen zu einem höheren Ansteckungsrisiko. Viele Menschen haben das ja auch gelernt und machen sich selber Gedanken, wie sie mit dieser Situation umgehen.

Viele Menschen werden von diesen Plänen auch finanziell getroffen und haben Angst um ihre Existenz. Wie machen Sie diesen Menschen Hoffnung?

Ich verstehe die Ängste dieser Menschen. Deshalb wollen wir ja auch nicht komplett schliessen. Es geht halt einfach immer wieder darum, die Kontakte zu reduzieren. Die Schweiz hat mit der Kurzarbeit, den Krediten und der Härtefallregelung bereits sehr viel für die betroffenen Menschen getan. Trotzdem wollen wir jetzt noch einmal sehen, was zusätzlich an Hilfen noch möglich ist.

Aber verglichen mit anderen Ländern mit massiven Massnahmen wie Ausgangssperre hat der Bundesrat einen Mittelweg gesucht.

Sie sagten den Menschen im Frühling: «Wir lassen Sie nicht im Stich.» Gilt das auch jetzt, retten Sie die Beizen und Kulturbetriebe?

Nun, nicht jeder einzelne Betrieb wird genauso weiter machen können wie vor der Pandemie. Aber verglichen mit anderen Ländern mit massiven Massnahmen wie Ausgangssperren hat der Bundesrat einen Mittelweg gesucht. Wir versuchen, das zu machen, was gemacht werden muss und versuchen wirklich auch, eine Unterstützung zu bieten. Es gibt kein anderes Land auf der Welt, das wie wir mit den Krediten wirklich dafür sorgte, dass das Geld schnell bei den Firmen ankam.

Gewählte Parlamentarier, die sagen, dass sie sich nicht an die Regeln für Weihnachten halten. Was sagen Sie dazu?

Das ist für mich schon schwierig zu verstehen, da man ja auch als Person eine Vorbildfunktion hat. Aber jeder muss das selber wissen, jeder hat eine Verantwortung. Es geht darum zu verstehen, warum der Bundesrat solche Regeln aufstellt. Es gibt viele Tote, und der Bundesrat stellt die Regeln auf, um die Menschen zu schützen. Da sollte man schon solidarisch sein. Aber es wird niemand an der Türe klingeln und kontrollieren, wie viele Menschen zusammen feiern.

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Simonetta Sommaruga: «Es ist nicht lustig für den Bundesrat.»
Aus News-Clip vom 09.12.2020.
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Die Kantone sagen jetzt, sie hätten ja neue Massnahmen ergriffen. Und nun komme der Bundesrat und übersteuere.

Es geht ja mehr um eine Vereinheitlichung der Massnahmen. Wir haben übers Wochenende mit vielen Kantonen diskutiert, ihnen aber auch klar gesagt, dass wir am Dienstag die Situation neu beurteilen werden. Aber richtig, für die wenigen Kantone, die wenig gemacht haben, wird die Schraube jetzt angezogen.

Speziell unzufrieden ist die Romandie. Sie hatte einen Teil-Lockdown und wollte jetzt öffnen. Und jetzt kommt der Bundesrat mit neuen Massnahmen. Können Sie da noch nachjustieren?

Die Romandie war in einer sehr schwierigen Situation und hat harte Massnahmen ergriffen. Aber auch da sinken die Zahlen bereits vor der geplanten Öffnung nicht mehr weiter und stagnieren auf zu hohem Niveau. Was wir aber anschauen werden, ist, dass die Kantone, die früh mit harten Massnahmen eingriffen und wirtschaftlich in einer schwierigen Situation waren, jetzt bei allfälligen neuen Unterstützungen nicht benachteiligt werden. Das kann ja nicht sein.

Und in zehn Tagen kommt dann vielleicht der richtige Teil-Lockdown. Machen sie Hüst und Hott mit den Kantonen?

Im Gegenteil. Das ist sehr transparent, wir planen jetzt, was passiert, wenn sich in gewissen Regionen die Situation nochmals dramatisch verschlechtert. Ich denke, das erwartet die Bevölkerung auch.

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Simonetta Sommaruga: «Der Bundesrat hat einen Mittelweg gesucht.»
Aus News-Clip vom 09.12.2020.
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Vor allem Bürgerliche haben Mühe mit den neuen Massnahmen. Wird es nicht schwierig mit den aktuellen Mehrheiten im Parlament?

Es geht um die Verantwortung, die der Bundesrat für die Gesundheit der Menschen hat. Es kann und darf uns nicht egal sein, dass so viele Menschen sterben. Ich war in den Spitälern, ich hab gesehen, was so ein Tod auch für die Angehörigen bedeutet. Ich finde, dafür haben wir eine Verantwortung, die nehmen wir wahr. Natürlich haben wir auch für die Wirtschaft die Verantwortung. Aber jetzt zuwarten und meinen, das koste nichts, ich fände das fahrlässig.

Mit den neusten Massnahmen ist jetzt wieder dasselbe «Gstürm» mit den Kantonen, wie Sie es nannten, wie im Oktober. Haben Sie nichts gelernt?

Der Bundesrat hat jetzt gezeigt, dass er schnell reagieren kann. Er muss dann halt auch aushalten, dass er von allen Seiten kritisiert wird.

Die Bewilligungen für die Skigebiete liegen bei den Kantonen. Kann es sein, dass da der Bund das Zepter auch wieder übernehmen muss?

Wir werden jetzt zuerst mal schauen, wie die neuen Massnahmen sich auswirken. Aber wir müssen jetzt vorausschauend planen, damit wir dann nicht wieder mit Notsitzungen eingreifen müssen, sondern den Kantonen bereits jetzt sagen können, was die nächste Stufe sein könnte.

Die Schweiz ist einen sehr liberalen Weg gegangen in dieser Krise. Eine Folge davon sind mehr als 5000 Tote. Was sagen Sie dazu?

Ich empfinde eine grosse Trauer. Das ist wahnsinnig, wenn sich Angehörige nicht einmal mehr von Sterbenden verabschieden können.

Diese Verantwortung, dass Menschen sterben, aber auch, dass Menschen ihren Job verlieren, das hat mir viele schlaflose Nächte bereitet.

Sind Sie als Mitglied des Bundesrates, der sich für den liberalen Weg der Schweiz entschieden hat, nicht auch verantwortlich für einen Teil dieser Toten?

Das ist die grosse, schwere Verantwortung, die der Bundesrat trägt, die aber auch alle mittragen. Der Bundesrat kann Massnahmen beschliessen, aber daran halten müssen wir uns gemeinsam. So können wir gemeinsam dafür sorgen, dass Menschen nicht sterben müssen. Es braucht alle dafür. Aber diese Verantwortung, dass Menschen sterben, aber auch, dass Menschen ihren Job verlieren, das hat mir viele schlaflose Nächte bereitet dieses Jahr. Wir haben versucht, einen Mittelweg zu gehen; es war ja nicht einfach ein liberaler Weg.

Die Frage der politischen Verantwortlichkeiten zu den hohen Todeszahlen wird sich aber stellen.

Der Weg war so lange richtig, wie wir tiefe Zahlen hatten und der Bundesrat die Basismassnahmen vorgab. Und solange die Zahlen sinken, können die Kantone Massnahmen definieren. Wenn nur einzelne Kantone hohe Zahlen haben, ist es schwierig, flächendeckende Massnahmen zu beschliessen.

Geben Sie da jetzt nicht einfach die Verantwortung für die Toten an die Kantone ab?

Nein, in den Kantonsregierungen gab es ja auch stetig Diskussionen, ob und welche Massnahmen geeignet sind. Die Absprachen im Föderalismus bei einer Pandemie sind anspruchsvoll. Aber Föderalismus heisst ja nicht, dass der Bundesrat einfach nichts macht.

War es rückblickend die richtige Balance zwischen Gesundheit und Wirtschaft? Stimmt das immer noch für Sie?

Als ich im Oktober die Kantone nach Bern holte, habe ich gemerkt: So können wir nicht weitermachen. Wir haben dann wieder Massnahmen ergriffen. Wir haben dann das gemacht, was möglich ist. Wir werden das einst im Rückblick endgültig beurteilen müssen. Der Bundesrat war sicher nicht perfekt. Aber er hat versucht, vieles gut zu machen und die Balance zu suchen. Und das ist uns nicht schlecht gelungen. Aber man hätte sicher auch das eine oder andere besser machen können.

Das Gespräch führten Nicole Frank und Dominik Meier.

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Das Interview mit Bundespräsidentin Sommaruga in voller Länge
Aus Rundschau talk vom 09.12.2020.
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Rundschau 09.12.2020, 20.05 Uhr ; 

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