Der Nationalrat debattiert am Montag darüber, ob die Schweizer Armee künftig mehr Geld bekommen soll. Das Anliegen hat derzeit wegen des Kriegs in der Ukraine gute Chancen. Die Frage stellt sich deshalb: Was wird die Armee mit dem zusätzlichen Geld tun und muss sie ihre Beschaffungsstrategie überdenken?
Interessant in dieser Situation ist der Blick in die Geschichtsbücher. Dieser zeigt, dass auch vergangene Krisen der Schweizer Armee in puncto Budget Aufwind gaben. Das Fundament der heutigen Beschaffungsstrategie der Schweizer Armee sei im Grunde schon 1874 gelegt worden, sagt Militärhistoriker Michael Olsansky.
Damals wurde mit der Revision der Bundesverfassung die Armee zentralisiert und ihre Funktion neu definiert. Nämlich wie folgt, sagt Olsansky: «Die Schweiz hat eine Armee, die versucht, sich auf einen Krieg vorzubereiten, so wie dies umliegende ausländische State-of-the-Art-Armeen auch tun.»
Unter dem Eindruck der Weltkriege
Das heisst, dass die Armee breit aufgestellt sein will und altes Material möglichst regelmässig erneuert werden soll. Es ging also immer darum, sogenannte Lücken zu schliessen, die sich im Sicherheitsapparat auftun. Bis zum Ende der 1980er-Jahre wurde das in Politik und Gesellschaft weniger hinterfragt, wie der Militärhistoriker sagt.
Olsansky erklärt: «Nach dem Zweiten Weltkrieg beispielsweise musste man das den Leuten nicht gross erklären. Man hatte die damalige Kriegsführung mit der strategischen Luft- oder Panzerkriegsführung vor Augen. Darum galt nach diesem Weltkrieg innenpolitisch eigentlich der Konsens, dass man diese Entwicklung jetzt aufholen müsse.»
Diese grossen Bedrohungsphasen im Ersten und Zweiten Weltkrieg und dann vor allem im Kalten Krieg zeigten sich also auch auf dem Einkaufszettel der Schweizer Armee. So wurde in den 1950er- und 1960er-Jahren erstmals eine grosse Anzahl von Panzern gekauft, die teilweise noch in der Schweiz produziert wurden. Auch der Kauf der Mirage-Kampfflugzeuge zeugt davon.
Krisen wie der Beginn des Vietnamkriegs, der ungarische Volksaufstand oder die Kubakrise bestärkten damals immer wieder die Aufrüstungsstrategie der Schweiz. «Wir hattenin den 1980er-Jahren erneut eine ganz massive Aufrüstung der Schweizer Armee. Da gab es eine ganz grosse Rüstungsbeschaffung an vorderster Stelle», so Olsansky.
Der Militärhistoriker sagt aber auch, dass doch gerade der Ukraine-Krieg zeige, wie schwierig es für eine Armee sei, immer richtig zu planen.
Gewisse Ausgaben verpuffen
Olsansky sagt: «Ich bin Historiker und ich glaube nur sehr begrenzt an die Fähigkeit der sicherheitspolitischen Prognostik. Die Aktualität hat all das widerlegt.» Man könne jetzt sagen: «Es gibt militärische Investitionen, die am Schluss eigentlich fast nutzlos verpuffen.»
Aber man wisse es im Vorfeld einfach nicht genau und nun sehe man plötzlich, dass Krieg in Europa immer noch möglich sei. Vieles hänge jetzt stark auch mit politischen Entscheidungen zusammen, so der ETH-Professor. Zu diesen zählen etwa, wie sich die Schweiz künftig gegenüber der Nato oder der EU positionieren wolle.
Oder auch, inwiefern etwa eine Aufgabenteilung mit anderen Staaten für die Schweiz überhaupt infrage komme. «Solange dieser Entscheid nicht kommt, bleibt der Armee ja gar nichts anderes übrig, als künftig einfach für möglichst viele Bedrohungsszenarien aufgestellt zu sein und entsprechend auch eher wieder breit zu investieren», so Olsansky.