- Zwischen grösseren Städten und dem ländlichen Raum gibt es einen Graben, der sich zumindest aus politischer Sicht in den letzten zwei Jahren noch vertieft hat.
- Der Graben verläuft nicht entlang einer geraden Linie, sondern besteht aus einem Spannungsfeld. In diesem «Dazwischen» leben die meisten Schweizerinnen und Schweizer.
- Zu diesem Schluss kommt die Forschungsstelle Sotomo im Stadt-Land-Monitor 2021, den sie im Auftrag der Agrargenossenschaft Fenaco erstellt hat.
Beziehungsstatus: Kompliziert. So lässt sich das Verhältnis zwischen Stadt und Land in der Schweiz im Jahr 2021 wohl am einfachsten beschreiben. Ganz einfach war diese Beziehung aufgrund der besonderen Schweizer Entstehungsgeschichte zwar noch nie, doch hat sich die Kluft zwischen Grossstadt und Land seit den 1980er-Jahren und insbesondere in den letzten zwei Jahren in politischer Hinsicht massiv vergrössert.
So steht es zumindest im Stadt-Land-Monitor 2021 der Forschungsstelle Sotomo: «Bei 14 der 22 Abstimmungen der aktuellen Legislatur hat sich eine Stadt-Land-Differenz geöffnet, die weit über dem langjährigen Schnitt liegt.»
Besonders deutlich zeigt sich das Spannungsfeld zwischen Stadt und Land beim Linksrutsch bei den letzten Wahlen, beim Klimathema und am deutlichsten bei der Abstimmung zum CO2-Gesetz. Die Auswertung zeigt weiter, dass die grösseren Städte in elf von 22 Abstimmungen überstimmt wurden. Der ländliche Raum hingegen nur ein einziges Mal.
Diesen Stadt-Land-Gegensatz nehmen demnach zwei Drittel der Bevölkerung zwar auch als gross und relevant wahr, doch nur ein Viertel sieht darin eine Belastungsprobe für die Schweiz.
Der «Graben» zwischen Stadt und Land verläuft aber nicht entlang einer scharfen Kante. Vielmehr befindet sich zwischen den beiden Polen «grössere Städte» und «ländlicher Raum» ein Spannungsfeld. Nur eine Minderheit der Befragten bekennt sich dabei laut Sotomo zu einem der beiden Pole: Ein Viertel der Bevölkerung sieht sich auf der Land-Seite, etwas mehr als ein Fünftel auf der Seite der Stadt. Die Mehrheit positioniert sich nicht. «Das ‹Dazwischen› ist die schweizerische Normalität», heisst es im Forschungsbericht.
Obwohl die grossen Städte bei Abstimmungen besonders häufig überstimmt werden, nimmt die Bevölkerung diese als bestimmend wahr. Zudem fühlt sich die Landbevölkerung oft benachteiligt und übergangen, sowohl von nationaler Politik als auch teils von überregionalen Medien. Besonders bei grossen Unternehmen würden ihre Anliegen wenig Gehör finden.
Gleichzeitig sieht eine Mehrheit der Landbevölkerung in den grossen Städten die wichtigsten Wirtschaftsmotoren und schreibt ihnen zu, finanziell am meisten für andere Regionen zu leisten. Ein Drittel, so Sotomo, sieht die grösste Leistung bei den Agglomerationen.
Die in der Schweiz weit verbreitete Sehnsucht nach ländlichem Leben und dem eigenen Garten habe sich mit der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt. 38 Prozent der Befragten möchten am liebsten auf dem Land leben, während das Wohnen in der Grossstadt nur wenig populär ist: Nur gerade 14 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer möchten in einer grösseren Stadt leben.