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Levrat: «Ich werde die Freundschaften mit den Leuten vermissen»
Aus News-Clip vom 30.09.2021.
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SP-Urgestein geht zur Post Was war Ihr grösster Erfolg, Herr Levrat?

SP-Ständerat Christian Levrat verlässt nach 18 Jahren die nationale Politbühne und wird ab Dezember Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Post. SRF News hat mit Levrat über seine Erfolge und Niederlagen, aber auch über Freundschaften über die Parteigrenzen hinweg gesprochen.

Christian Levrat

Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Post

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Christian Levrat ist seit dem 1. Dezember 2021 Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Post. Von 2008 bis 2020 stand der einstige Gewerkschafter den Sozialdemokraten vor, in den Jahren 2012 bis 2021 sass er für den Kanton Freiburg im Ständerat.

Christian Levrat, Sie haben morgen nach 18 Jahren den letzten Tag hier im Parlament. Was werden Sie am meisten vermissen?

Christian Levrat: Die Freundschaften mit den Leuten. Von aussen realisiert man das vielleicht nicht so. Auch wenn ab und zu hart untereinander gekämpft wird, haben wir untereinander ein sehr freundschaftliches Verhältnis.

Was werden Sie am wenigsten vermissen?

Die langen Sitzungstage, wo es darum geht, Formelles zu erledigen. Das gehört auch zur Politik. Politik ist eine Geduldsschule. Das muss man wissen, wenn man einsteigt.

Politik ist eine Geduldsschule. Das muss man wissen, wenn man einsteigt.
Autor: Christian Levrat SP-Ständerat

Wenn Sie zurückschauen auf diese 18 Jahre: Was war Ihr grösster Erfolg?

Das war wahrscheinlich das Referendum gegen die Unternehmenssteuer-Reform III, wo eine Vorlage der Bürgerlichen, die immense Verluste gebracht hätte, per Referendum gebodigt wurde. Und sofort danach haben wir mit der Steuer- und AHV-Vorlage das Ganze etwas verkleinert und dazu noch zwei bis drei Milliarden Franken pro Jahr für die AHV gewinnen können. Das ist für mich ein gutes Beispiel der Schweizer Politik: Man muss kämpfen können, aber man muss auch Lösungen entwickeln können und dafür die notwendigen Mehrheiten schaffen.

Ich hatte gedacht, Sie bezeichnen die Abwahl von Christoph Blocher 2007 als grössten Sieg.

Das wird im Nachhinein etwas zelebriert. Aus linker Sicht war es klar, dass wir ihn nicht unterstützen würden. Dass es bei der CVP grosse Zweifel gab über seine Wiederwahl, war nicht zu überhören. Es war das Ergebnis eines politischen Prozesses; das kann man so mit ein wenig Distanz einfach hinnehmen.

Was war Ihre grösste Niederlage?

Die Altersvorsorge 2020. Die Niederlage an der Urne wäre nicht nötig gewesen. Wir hatten eine Lösung sowohl für die Reform der AHV als auch für die Reform der zweiten Säule. Wir haben jetzt, fünf Jahre nach der Abstimmung, weder im einen noch im anderen Bereich den Ansatz einer Lösung. Zu den Niederlagen kann man auch die Masseneinwanderungs-Initiative zählen. Die Annahme der Initiative wäre nicht nötig gewesen, wenn die Parteien, wir inklusive, sie richtig eingeschätzt hätten. Sie war gefährlich, aber wir haben sie unterschätzt.

Sie haben zu Beginn gesagt, Sie werden vor allem die Freundschaften vermissen. Ist das vor allem in der Partei, oder entstehen auch Freundschaften über die Parteigrenzen hinweg?

Ich war zwölf Jahre lang Parteipräsident. Toni Brunner hat in dieser Zeit mal gesagt, dass er mich mehr sieht als seine eigene Frau.

Aber das sind doch keine Freundschaften?

Wir waren praktisch jeden Abend zusammen unterwegs, Toni Brunner, Christoph Darbellay und ich. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich eine enge Freundschaft habe mit Christoph Darbellay, ich verstehe mich sehr gut mit Toni Brunner. In der Öffentlichkeit wird das oft nicht verstanden. This Jenny, der verstorbene Glarner SVP-Ständerat, hat mir bei meinem Eintritt in den Ständerat gesagt: Weisst du, es sagen alle, man darf hier nicht streiten. Das stimmt nicht, du kannst soviel streiten wie du willst, du musst einfach danach mit deinen Gegnern ein Bier trinken gehen. Das ist eine gute Lehre. Und es ist ein besonderes Merkmal der Schweizer Politik, dass wir Freundschaften und Beziehungen entwickeln können, auch wenn wir in der politischen Sache hart gegeneinander antreten.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich eine enge Freundschaft mit Christoph Darbellay habe. Ich verstehe mich auch sehr gut mit Toni Brunner.
Autor: Christian Levrat SP-Ständerat

Sie werden im Dezember als Präsident der Post beginnen. Sie haben ein Gesuch gestellt, dass Sie für die nächsten zwei Monate einen Lohn von 12'000 Franken bekommen. Das hat viel zu reden gegeben. Hat Sie da Ihr politisches Gespür, für das Sie bekannt sind, verlassen?

Das ist eigentlich eine absurde Geschichte. Ich trete zwei Monate früher aus dem Parlament zurück, um die nächsten zwei Monate 100 Prozent für die Post zu arbeiten. Es hat sich die Frage gestellt, ob es eine Entschädigung für diese Zeit geben soll. Das Personalamt des Bundes hat gesagt, es gibt juristische Schwierigkeiten, dann haben wir das Ganze gelassen. Es ist eine Polemik, die etwas aufgebauscht wird.

Was hat Sie emotional am meisten bewegt in diesen 18 Jahren?

Vielleicht die Wahl von Alain Berset in den Bundesrat. Aus persönlichen Gründen, weil er ein enger Freund ist, und das hat mich sehr bewegt. Aber auch Kollegen, die uns früh verlassen haben. Ich habe schon von This Jenny gesprochen, und es gibt auch andere, die im Amt verstorben sind. Das bewegt einen besonders, weil man in der Politik oft gegeneinander antritt mit unterschiedlichen Meinungen, und wenn dann jemand stirbt, dann ist das ein sehr bewegendes Gefühl.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch und alles Gute für die Zukunft.

Danke gleichfalls.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

Tagesschau, 18 Uhr, 30.09.21 ; 

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