Es war eine Zangengeburt – das neue, 60-seitige Wirtschaftskonzept der Schweizer Sozialdemokratinnen und -demokraten. Im Februar wurde es an einer Delegiertenversammlung vom linken und wie auch vom reformorientierten Flügeln heftig kritisiert. Daraufhin wurde es überarbeitet und soll nun mehrheitsfähig sein, pünktlich auf die Wahlen hin.
Wir wussten nie, ob wir das überhaupt über die Ziellinie bringen.
Die Linke – Sozialdemokratinnen, Sozialisten, Kommunisten – hat sich immer leidenschaftlich über die richtige Wirtschaftspolitik gestritten. Auch heute, sagt Nationalrat Beat Jans: «Wir wussten nie, ob wir das überhaupt über die Ziellinie bringen. Das Wirtschaftsthema ist das umstrittenste in unserer Partei.»
Wie weiter mit dem Kapitalismus?
Im Parteiprogramm der SP Schweiz steht nach wie vor das Ziel drin, den Kapitalismus zu überwinden. Das neue Wirtschaftspapier 2019-29 soll diesen Programmpunkt vergessen machen. In den Worten von Fraktionschef Roger Nordmann: «Frech könnte man sagen: Wir überwinden die Überwindung des Kapitalismus.»
Und wenn er weniger frech sein will, sagt Nordmann, es gehe darum, die Worthülse «Überwindung des Kapitalismus» mit Inhalt zu füllen. So wolle die SP beispielsweise nicht grundsätzlich das Privateigentum abschaffen: «Das heisst aber noch nicht, dass wir das Privateigentum genial finden.» Gerade im Wohnbereich etwa stehe die SP ganz stark für mehr Wohngenossenschaften. Die Mieter sollen von günstigem Wohnen profitieren und nicht börsenkotierte Fonds zulasten des Mittelstandes.
Das heisst aber noch nicht, dass wir das Privateigentum genial finden.
Einen anderen Akzent setzt die Partei bei einer klimaverträglichen Wirtschaft: Sie fordert den konsequenten Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas bis 2050 und die Umstellung des Verkehrs auf Strom. Mitfinanzieren helfen soll diesen Umbau der Wirtschaft ein 30-Milliarden-Fonds – gespeist mit Geld von Nationalbank und Pensionskassen.
Juso-Präsidentin: Mit Ziel 35-Stunden-Woche auf Kurs
Einen dritten Schwerpunkt setzt das Programm schliesslich bei der Arbeit. Hier soll der Trend zu immer mehr unbezahlter Arbeit mit der Einführung der 35-Stunden-Woche aufgefangen werden. Es sind Forderungen wie diese, die auch die Parteilinke milde stimmen. Juso-Präsidentin Tamara Funiciello: «Wenn die SP in den nächsten Jahren die 35-Stunden-Woche anstrebt, sind wir klar in der richtigen Richtung.»
Fundamentalopposition gegen das Papier gibt es am SP-Parteitag vom ersten Dezember-Wochenende keine. Rege Diskussionen sind aber zu erwarten – bei über 95 Abänderungsanträgen.