Weihnachtszeit ist die Zeit der Kinderaugen. Diese strahlen uns aber nicht nur unter dem Tannenbaum an. Sie sind auch auf unzähligen Plakaten und Bettelbriefen. Das kommt nicht von ungefähr: Die Hilfswerke haben dieser Tage Hochkonjunktur. Und Kinder und Kranke können wie nie sonst im Jahr auf guten Willen und Gnade hoffen.
Wer spenden möchte, sollte aber einige Regeln beachten. SRF News hat mit einer Expertin gesprochen.
SRF News: Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Eine Plattitüde oder eine Tatsache?
Martina Ziegerer: Vor Weihnachten gibt es sicher mehr Sammlungsaufrufe. Viele Hilfswerke haben offenbar gemerkt, dass sie in dieser Zeit besonders gut auf ihre Anliegen aufmerksam machen können. Allerdings kommt es auch auf den Sammlungszweck an. Wer beispielsweise für Kinder oder für Menschen, die von Armut betroffen sind, sammelt, wird es vor Weihnachten einfacher haben als der Rettungsschwimmer-Verband.
Wäre es nicht sinnvoller, man würde laufend kleinere Beiträge einzahlen statt einmal im Jahr einen grossen?
Das spielt keine Rolle. Wichtig ist aber, dass man sich nicht verzettelt. Wir empfehlen, nur wenige Werke auszusuchen und diesen auch treu zu bleiben. Aus zwei Gründen: Zum einen können die Hilfsorganisationen längerfristig planen. Zum anderen bekommt man als Spenderin oder Spender auch etwas weniger Post von Hilfswerken.
Welche Spendenzwecke empfehlen Sie?
Grundsätzlich legen wir den Menschen nahe, sich nicht im Weihnachtsstress für ein Projekt oder eine Organisation zu entscheiden, sondern sich vor dem Spenden etwas Zeit zu nehmen. Fragen Sie sich, was Ihnen persönlich besonders am Herzen liegt, und wählen sie dann ein passendes Hilfswerk aus! Auf zewo.ch findet man alle Hilfswerke mit Zewo-Gütesiegel, und Letshelp.ch bietet einen Überblick über Projekte von vertrauenswürdigen Organisationen. So können Sie darauf vertrauen, dass Ihre Spende ankommt. Sie wird zweckbestimmt, effizient und wirkungsorientiert eingesetzt.
Wir legen den Menschen nahe, sich nicht im Weihnachtsstress für ein Projekt oder eine Organisation zu entscheiden.
Wovon raten Sie ab?
Wir haben Hilfswerke angeführt, die nicht transparent sind und solche, die uns negativ aufgefallen sind, weil sie stark von unseren Standards abweichen. Es lohnt sich auf jeden Fall, genau hinzuschauen. Manchmal klingen die Namen ähnlich. So hat beispielsweise die Stiftung Krebshilfe – die wir nicht empfehlen – nichts zu tun mit der Krebsliga Schweiz, die wir empfehlen. Das Wort «Kinder» wird häufig im Namen verwendet, leider auch von dubiosen Organisationen.
Soll ich einen Bettelbrief beantworten oder ein Herzli in der Migros kaufen?
Wenn man sich mit den fünf Hilfswerken identifizieren kann, denen die Spende für die Migros-Herzen zugute kommt, ist der Kauf eine gute Sache. Will man sich lieber auf eine andere Organisation oder ein bestimmtes Projekt konzentrieren, kann man auch einfach auf einen entsprechenden Sammlungsaufruf reagieren. Oder, wie viele Menschen, beides tun.
Soll ich die Krebsforschung unterstützen oder lieber die Ergründung einer seltenen Krankheit fördern? Die Krebsforschung wird ja, weil potentiell lukrativ, auch von den Pharmarkonzernen vorangetrieben.
Beide Anliegen sind wichtig, und beide Organisationen können noch mehr tun, wenn sie mehr Spenden erhalten. Man kann das Leid der einen Menschen nicht mit dem Leid von anderen abwägen. Was einem besonders wichtig ist, ist eine persönliche Entscheidung. Emotionale Themen sind spendenwirksam. Die Realität ist aber oft komplex. Lassen Sie sich beim Spenden nicht emotional unter Druck setzen, sondern machen Sie sich ein Bild anhand von sachlichen Informationen!
Spenden verschenken scheint im Trend zu liegen. Ein Zeichen dafür, dass wir Schweizer sowieso schon alles haben – und uns dafür die Geschenkideen fehlen?
Hilfswerke bieten vermehrt die Möglichkeit an, mit sinnvollen Geschenken und Spenden doppelt Freude zu bereiten. Es scheint also auf ein gewisses Echo zu stossen – und deutet darauf hin, das wir vielleicht wirklich je länger je lieber spenden, als zu schenken, was viele schon haben.
Emotionale Themen sind spendenwirksam. Die Realität ist aber oft komplex.
Was halten Sie von Patenschaften?
Wir raten ab von Patenschaften, bei denen man ein persönliches Patenkind auswählen und mit ihm in Kontakt treten kann. Die herzigen Kinder haben dann vielleicht gleich mehrere Paten, die anderen gar keine. Solche Marketinginstrumente nutzen die Notlage von Kindern aus und führen zu Spannungen und Enttäuschungen. Sie prägen das Bild von einem reichen Paten und einem armen Kind. Das entspricht nicht dem Austausch auf Augenhöhe, wie er in der modernen Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Südens geführt wird.
Wir empfehlen Projekt- oder Themenpatenschaften. Kinder brauchen ja für eine gute Entwicklung ein intaktes Umfeld. Und wenn man Projekte zum Beispiel für sauberes Trinkwasser, medizinische Versorgung oder Bildung unterstützt, hilft man den Kindern sehr viel.
Das Gespräch führte Christine Spiess