Ein sonniger Spätsommerabend im aargauischen Baden: Roland Diener steht auf dem Sitzplatz eines Einfamilienhauses und begutachtet ein etwa zehn Zentimeter langes Wespennest, das unter den Sonnenstoren hängt. Die Wespen und das Nest sollen noch heute Abend an einen anderen Ort umziehen, wo sie keine Menschen stören.
Wespen sind verkannte Nützlinge.
Wespennester umsiedeln – seit über 10 Jahren ist dies das grosse Hobby von Roland Diener. In seiner Freizeit ist der Fachmann in Einsatz, überall dort, wo die Insekten ein Problem für die Menschen geworden sind. Sein Ziel ist, dass weniger Wespenvölker vergiftet werden, so wie dies heutzutage sehr häufig passiert. «Als ich realisierte, welche Aufgaben sie in der Natur haben, entschied ich, etwas zu unternehmen.» Wespen seien verkannte Nützlinge, sagt er begeistert.
Die Insekten haben es dem Aargauer angetan, nicht zuletzt fasziniert ihn ihr Zusammenleben, welches sich seiner Meinung nach gar nicht so stark von demjenigen der Menschen unterscheidet. «Wespen haben ein soziales Zusammenleben. Sie schauen zueinander, gehen raus und holen Futter und Baumaterial.»
Es ist gut, wenn die Tiere, die stechen, in der Fangbox sind.
Roland Diener macht sich vor dem Badener Einfamilienhaus an die Arbeit. Als erstes installiert er eine Fangbox, eine Art Staubsauger, um fliegende Wespen einzufangen. «Die Tiere, die stechen, sind dann weg.» Anschliessend kann Diener in Ruhe ans Nest treten, wo sich die Königin und die jungen Arbeiterinnen befinden. «Die jungen Arbeiterinnen wissen noch nicht, was stechen heisst.»
Gestochen wurde der Wespen-Fachmann schon länger nicht mehr. Er erklärt es sich damit, dass er die Tiere inzwischen viel besser kenne und ruhiger mit ihnen umgehe. Ausserdem hat Roland Diener herausgefunden, dass weisse Kleidung hilft. «Weiss ist für Tiere uninteressant, weil diese Farbe keinen Bezug zur Natur hat.» Dunkle Farben stünden für ein potenzielles Beutetier, Blumenmuster für eine potenzielle Nahrungsquelle.
Wer von den Insekten in Ruhe gelassen werden will, der tut also gut daran, sich weiss zu kleiden. Und das gilt nicht nur für Fachleute, die Völker umsiedeln, sondern auch für alle, die einen ruhigen Abend ohne Wespenstich im Garten oder auf der Terrasse verbringen wollen.
Diener steigt - ausgerüstet mit Stechbeutel und Fangnetz auf eine Leiter – und schneidet das Wespennest von den Sonnenstoren des Badener Einfamilienhauses. Doch: Etwas stimmt nicht. Der Experte schaut sich das Nest genauer an.«Es hat nicht viel drin.» Vorsichtig schneidet er das Nest mit einer Schere auf. «Das sieht nicht gut aus.»
Die Königin scheint verloren gegangen zu sein.
Im aufgeschnittenen Nest sieht Roland Diener eine schwarze Larve. «Das heisst, sie ist im Nest verstorben.» Weiter entdeckt er drei weisse Waben, wo sich ein Tier am Verpuppen ist. Sein Fazit: Die Königin scheint verloren gegangen zu sein. Etwas, das immer wieder passiere. «80 Prozent der fliegenden Königinnen sterben im Frühling durch Fressfeinde oder Revierstreitigkeiten.»
Für das Wespenvolk ist dies ein Problem, denn ohne Königin kann es längerfristig nicht überleben. Trotzdem wird Roland Diener die verbleibenden Arbeiterinnen und die Reste des Nests später in den Wald bringen. Dort können die Wespen weiterleben, bis sie in drei bis vier Wochen sterben. Diesmal ist die Umsiedlung nicht von Erfolg gekrönt, viele andere Male hat Roland Diener aber schon Wespenvölker vom Tod durch Gift gerettet und er wird dies auch in Zukunft tun.