Während der Coronapandemie horchte mit der Zeit niemand mehr auf, wenn ein Spital meldete, es habe seine Belastungsgrenzen erreicht. Doch diese Zeit ist vorbei. Für das Gesundheitswesen hat sich die Situation indes vielerorts nur wenig entspannt.
Besonders schwierig ist die Situation in Freiburg. Hier meldete das Spital HFR am 15. November, eben das, was man während der Pandemie so oft gehört hat: Die Belastungsgrenze ist erreicht. Die Bettenauslastung auf der Akutstation betrage 94 Prozent, jene auf der Rehabilitation sogar 99 Prozent.
Es ist nicht möglich, Erwachsene auf einer Kinderstation unterzubringen.»
99 sind nicht ganz 100. Es sollten also noch wenige Betten frei sein? So einfach sei das nicht, sagt Stéphane Brand, Direktor Operations des Spitals HFR: «Wir müssen den Geschlechtern und Altersgruppen unserer Patientinnen und Patienten Rechnung tragen. Es ist nicht möglich, Erwachsene auf einer Kinderstation unterzubringen.»
Normalerweise könne man mit einer 85-prozentigen Belegung auf einer Akutstation und einer 90-prozentigen auf einer Rehastation gut arbeiten, so Brand. Diese Zahlen werden in Freiburg momentan deutlich übertroffen. Was heisst das für die Patientinnen und Patienten?
Geplante chirurgische Eingriffe verschoben
Ist der Spielraum einer Normalbelegung nicht gegeben, kann zum Beispiel die Versicherungsklasse nicht mehr gewährleistet werden. Auch können Personen am Lebensende nicht darauf vertrauen, ein Einzelzimmer zu erhalten.
In der Mitteilung teilt das HFR weiter mit, dass interne Regulierungsmassnahmen getroffen worden seien. Konkret heisst das, dass Patientinnen und Patienten länger auf der Intensivstation, im Aufwachraum oder in der Notaufnahme liegen. Zudem mussten geplante Operationen verschoben werden.
Gesundheitssystem auf verschiedenen Ebenen beansprucht
Doch wie kommt es, dass das HFR ohne Coronapandemie und mit einer Grippesaison, die gerade erst beginnt, bereits am Anschlag ist? Zum einen gibt es einen starken Zustrom von Patientinnen und Patienten, schreibt das Spital. Das eigentliche Problem liegt aber an einer anderen Stelle.
«Für uns ist es ein Problem, dass der Austrittsfluss verlangsamt ist», sagt Stéphane Brand. Das heisst, dass über 40 Betten mit Personen belegt seien, die das Spital eigentlich aufgrund ihres Gesundheitszustandes verlassen könnten, aber keine Anschlusslösung haben. Sie finden entweder keinen Platz im Pflegeheim oder die Spitex hat keine Kapazität, die Leute zu Hause zu betreuen.
Es handelt sich bei den Engpässen also nicht primär nur um ein Problem bei den Spitälern, sondern um eines im gesamten Gesundheitswesen. Freiburg steht mit der Belastung nicht alleine da. Auch das Inselspital in Bern sei zurzeit stark ausgelastet.
«Der Bedarf an medizinischer Versorgung steigt seit Jahren. Das Gesundheitssystem ist bei gleichzeitigem Fachkräftemangel schon länger überlastet. Umliegende Strukturen wie Altersheime und Rehakliniken sind ebenfalls belastet, was Verlegungen schwierig bis unmöglich macht.» schreibt Mediensprecher Didier Plaschy auf Anfrage. Aus diesem Grund müsse man auch in Bern Patientinnen und Patienten allenfalls etwas länger behalten. Operationen würden aber aktuell noch keine verschoben.
Die Gesundheitssysteme sind gefordert. Vor dem Hintergrund der anrollenden Grippewelle und des anhaltenden Fachkräftemangels zeichnet sich auch für die nahe Zukunft keine Entspannung ab.