«Die in Bern oben machen sowieso, was sie wollen.» So oder ähnlich argumentieren dieses Jahr viele Stimmberechtigte: Erstmals seit 1995 sank die Wahlbeteiligung.
Zwar gingen in allen Regionen weniger Leute an die Urne – auf dem Land ist der Rückgang aber deutlich stärker, wie eine Erhebung von SRF Data zeigt. In ländlichen Gemeinden ging die Wahlbeteiligung um 3,6 Prozent zurück – in den zehn grössten Städten nur um 1,9 Prozent.
Damit setze sich ein lang anhaltender Trend fort, sagt Politgeograf Michael Hermann. Dieser zeige den Wandel der Gesellschaft: «Das typisch ländliche geht zurück: Der starke Gemeinsinn, die vielen Vereine, das Milizsystem, das alles wird weniger. Und das zeigt sich nun auch bei der Wahl-Disziplin.»
Frustration bei SVP-Wählern
Besonders stark ist der Rückgang der Wahlbeteiligung in ländlichen Gemeinden der Deutschschweiz – den Stammlanden der SVP. «Die Leute auf dem Land sind frustriert, weil die Politiker in Bern Volksinitiativen wie die Masseneinwanderungs-Initiative nicht umsetzen», erklärt sich Marianne Bütschi, SVP-Gemeinderätin in Frutigen/BE das schwindende Interesse auf dem Land. «Viele Leute machen jetzt die Faust im Sack und versuchen durch Nicht-Wählen Gegendruck zu machen. Das ist natürlich der falsche Weg.»
Die SVP sieht sich nun mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Stammwählerschaft wieder motivieren zu können. «Die Wahlniederlage tut weh, kann unter dem Strich aber auch eine Chance sein», analysiert Nils Fiechter, Co-Präsident der jungen SVP im Kanton Bern.
Die Leute auf dem Land sind frustriert, weil die Politiker in Bern Volksinitiativen wie die Masseneinwanderungs-Initiative nicht umsetzt.
Und weiter: «In den nächsten Jahren werden die Wähler deutlich spüren, was die Folgen von linker Politik sind. In vier Jahren kann das Pendel wieder zurückschlagen.»
Vorteil für links-grün
Vorerst profitieren von der sinkenden Wahlbeteiligung auf dem Land vor allem linke und grüne Parteien: Der grössere Teil ihrer Anhängerschaft lebt in den Städten.
Dass Stadt und Land sich im Wahlverhalten annähern, werde tendenziell so weitergehen, glaubt Politgeograf Michael Hermann. «Es ist aber möglich, dass sich das auch wieder umkehrt: Wenn die Landbevölkerung das Gefühl hat, dass es politisch in eine völlig falsche Richtung geht, kann das erneut zu einer grossen Mobilisierung auf dem Land führen.»