Ineffizient, laut, wenig lösungsorientiert: Der Berner Stadtrat hat einen schlechten Ruf. Die pendenten Geschäfte stapeln sich gefühlt bis zur Decke des Berner Rathauses.
Über 400 Vorstösse sind aktuell hängig. Teilweise vergehen Jahre, bis entsprechende Motionen, Interpellationen oder Anfragen traktandiert werden können. Gehe es in diesem Tempo weiter, werde der Pendenzenberg erst Ende 2026 beseitigt sein, so Stadtratspräsident Manuel C. Widmer.
Weniger reden, schneller entscheiden: Mit einem gestrafften Parlamentsbetrieb will sich der Berner Stadtrat selbst Beine machen – ohne, dass die Demokratie darunter leidet. Kleine Anfragen oder Interpellationen sollen nur noch schriftlich und ohne Debatte abgehandelt werde. Dazu muss der Stadtrat sein Geschäftsreglement anpassen. In der ersten Lesung am Donnerstag fielen noch keine Entscheide. Es besteht jedoch ein breiter Konsens, dass hier etwas gehen muss.
Besonders viele Vorstösse gehen auf das Konto der SVP, die in der linken Stadt Bern eine kleine Oppositionspartei ist. «Wildwuchs durch Velorowdys! Was unternimmt die Stadt dagegen? Soll dies akzeptiert werden?», lautet etwa die jüngste Anfrage von SVP-Stadtrat Alexander Feuz.
SVP sieht parlamentarische Rechte bedroht
Mit den neuen Vorgaben will sich der Berner Stadtrat die Flügel selbst etwas stutzen und dafür mehr Tempo machen. Kritiker aus den Reihen der SVP sehen die parlamentarischen Rechte bedroht. Für Politologe Marc Bühlmann ist dies nicht völlig abwegig. Denn: «Vorstösse sind das wichtigste Mittel von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, um etwas zu verändern.»
Es sei schlussendlich ein Dilemma zwischen Effizienz und demokratischen Rechten. «Wenn man aber Jahre auf die Traktandierung von Vorstössen warten muss, sind Probleme womöglich gar nicht mehr aktuell oder längst andere Lösungen gefunden worden», so Bühlmann weiter.
Zürcher Parlament trimmt sich auf Effizienz
Das Parlament der Stadt Zürich hatte früher ebenfalls einen schlechten Ruf. Diese Zeiten sind vorbei. Seit dem Jahr 2010 sind die Abläufe nach und nach gestrafft worden. Der Gemeinderat kürzte sich auch die Redezeiten.
Zürich hat schweizweit wohl das aktuellste Parlament.
Damit nicht genug: Mit Blick auf die neue Legislatur wurde diesen Frühling die «reduzierte Debatte» eingeführt. Dies gilt für alle Vorstösse, die älter als ein Jahr sind. Bei diesen dürfen nur noch die Sprecherin oder der Sprecher der Fraktion sowie die Einreichenden sprechen.
Die Massnahmen wirken sich positiv aus. «Zürich hat schweizweit wohl das aktuellste Parlament», sagt Andreas Ammann, Leiter des Parlamentsdienstes der Stadt Zürich. Aktuell seien die Vorstösse in den meisten Departementen vom Juni. «Wir sind extrem à jour», so Ammann weiter.
Schaffhausen lässt Sitzungen ausfallen
Andere Parlamente haben gar wenig zu tun, wie das Beispiel Schaffhausen zeigt. Es gebe keinen Pendenzenberg, sagt SRF-Korrespondent Roger Steinemann. «Zum Teil lassen sie sogar Sitzungen ausfallen, weil zu wenig Geschäfte zu behandeln sind.» Was auffalle: In letzter Zeit hätten die sogenannten Anfragen zugenommen – kurze Fragen, die dann vom Stadtrat beantwortet werden müssten. Dafür gebe es weniger Postulate und Motionen.