Für den FDP-Grossrat Andrea Rigamonti aus dem Mendrisiotto haben Staumeldungen vom Gotthard-Nordportal etwas Beruhigendes. «Für unsere Region ist der Gotthardstau ein Filter», sagt der Präsident der Verkehrskommission im Südtessin. «Gäbe es diesen Filter nicht, wären noch mehr Autos bei uns. Es ist wichtig zu wissen, dass sich bei uns die Autos täglich und auch ausserhalb der Ferienzeit stauen. Über 70'000 italienische Grenzgängerinnen passieren bei uns den Grenzübergang.»
Das Südtessin versinkt also täglich im Stau. Verkehrsexperte Rigamonti befürchtet, dass es noch schlimmer wird. Dann nämlich, wenn die zweite Gotthard-Autobahnröhre fertig gebaut ist: «Wir befürchten, dass der zweite Autobahntunnel den Verkehr verflüssigt, dass noch mehr Autos bei uns durchfahren wollen. Wir befürchten, dass die Filterfunktion des Gotthards entfällt und wir unter dem Verkehr kollabieren.»
Das gelte es zu verhindern, sagt Rigamonti. Er regt an, dass Ausländer, welche die Schweiz mit ihrem Auto nur passieren, mehr Geld zahlen sollen für die Autobahnvignette. An der Debatte über die Gotthard-Gebühr will er sich nicht die Finger verbrennen.
Südtessiner Politiker fordern Tunnelmaut
Der FDP-Politiker Bruno Arrigoni hingegen wünscht sich eine Gotthard-Maut. Er ist Präsident der Grenzstadt Chiasso. «Die allermeisten Reisenden bringen unserer Gegend gar nichts. Ich verstehe nicht, warum sie gratis durch den Gotthard fahren können.»
Die Mautgebühren wären doch auch ein guter Zustupf für die Kantonskasse.
Das ist bemerkenswert. Denn viele Tessiner Politiker, besonders auch jene, die weit weg von Chiasso wohnen, wehren sich vehement gegen eine Maut. So auch die Tessiner Regierung. Das Argument: Damit würde das Tessin vom Rest der Schweiz abgehängt. Die Befürchtung geht um, dass der Tourismus Schaden nehmen könnte.
«Das glaube ich nicht», sagt Arrigoni. «Im Gegenteil. Tessiner Politiker klagen immer, dass ihr Kanton arm ist. Die Mautgebühren wären doch auch ein guter Zustupf für die Kantonskasse.» Doch Stimmen wie diese werden kaum gehört. Darum hat der Bundesrat kürzlich mit Rücksicht auf die Südschweiz der Maut eine Absage erteilt.
Das Ende des Mendrisiotto?
Das ärgert die im Tessin schwach vertretene Partei der Grünliberalen. So sagt Grossrat Massimo Mobiglia, der Bundesrat sei mit diesem abschlägigen Gotthardmaut-Entscheid wenig mutig. Der Grund für diese aufmüpfige Haltung: Auch die Tessiner Grünliberalen sorgen sich um die Zukunft des Mendrisiotto.
«Ist der zweite Autobahntunnel fertig, wird er früher oder später benutzt, um den Gotthardstau zu verkürzen. Das wäre das Ende des Mendrisiotto.» Damit das nicht passiert, brauche es eben eine Gotthardmaut. Gerne dürfen Tarife für Urner und Tessinerinnen geringer sein. Hauptsache, es gebe einen Filter, der das Mendrisiotto schützt.
Bis jetzt sind solche Tessiner Stimmen leise. Doch wer weiss, wie lange das noch so bleibt.