Bei der jüngsten Prämienrunde und auch in der Ratsdebatte mahnte Gesundheitsminister Alain Berset das Parlament, es brauche dringend zusätzliche Massnahmen, um die Kosten zu bremsen. Doch der magistrale Mahnfinger verfehlte seine Wirkung: Das Parlament zerpflückte auch das zweite Paket zum Kostendämpfen.
Wenn es schmerzt, kuscht das Parlament
Begonnen hatte Bersets Versuch, die steigenden Gesundheitskosten zu bremsen, vielversprechend: Expertinnen und Experten einigten sich auf knapp 40 Massnahmen, mit welchen sich falsche Anreize vermeiden oder das Kostenwachstum abfedern liessen. An einer Tagung mit allen Akteurinnen und Akteuren wurden die Vorschläge priorisiert. Die wichtigsten wurden danach zu zwei Paketen geschnürt.
Jedes Paket enthielt eine bis zwei Massnahmen, die die Kosten stark bremsen sollten. Es waren auch die umstrittensten Massnahmen – begonnen bei den Kostenzielen, über das Referenzpreissystem für Medikamente bis hin zu neuen Netzwerken von Ärztinnen und weiteren Gesundheitsfachleuten für eine Versorgung aus einer Hand, der sogenannten koordinierten Versorgung. Berset sah seine Befürchtung bestätigt: Das Parlament kuscht, wenn es schmerzt.
Das «Herzstück» fehlt
In der jüngsten Debatte brach der Nationalrat das «Herzstück», wie es Bundesrat Berset nannte, aus der Vorlage heraus: die neuen Netzwerke für eine koordinierte Versorgung. Sie hätten unter den Kantonen gestanden und Gesundheitsfachleute unter einem Dach vereint, die eine optimale Behandlung von Patientinnen und Patienten ermöglicht hätten. Ohne Mehrfach- oder Überbehandlung und somit kostengünstiger.
Für das bürgerlich dominierte Parlament «überreguliert», ein «Bürokratiemonster». Hier müssten Nachfrage und Angebot selbst spielen, fand der Nationalrat. Dafür brauche es keine Gesetzesanpassungen. Ohne dieses Herzstück, so Berset, zerspringe die Glaubwürdigkeit des zweiten Pakets quasi am Boden.
«Bittere Pille» geschluckt
Immerhin blieb der zweite Kern dem zweiten Paket erhalten – die vertraulichen Preismodelle bei neuen, teuren Medikamenten. Die Modelle sind umstritten, weil sie geheime Rabatte gewähren. So wird nur ein sogenannter Schaufensterpreis bekannt, nicht aber der wirkliche Preis des Medikaments. Das ist unschön, eine «bittere Pille», doch gemäss Bund kostendämpfend.
SP und Grüne scheiterten mit dem Versuch, hier mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Im Rat überwogen die Kosten-Nutzen-Abwägungen: rascher Zugang zu innovativen Therapien – etwa bei Krebserkrankungen.
Ideen überdauern den Bundesrat
Gesundheitsminister Alain Berset hat im Nationalrat kurz Nerven gezeigt – sonst gab und gibt er sich gelassen und abgeklärt. Er weiss, was verschiedene Ratsmitglieder ausgesprochen haben: Es bleibt wenig übrig von den ursprünglich 38 Massnahmen, um die Gesundheitskosten zu bremsen.
Die Kostenziele jedenfalls hat Berset quasi gerettet, indem er diese aus dem Paket gelöst und zum Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative gemacht hat. So überdauert die vielversprechendste Idee zur Dämpfung der Gesundheitskosten seine Zeit als Bundesrat.