Das Wichtigste in Kürze
- Geheime Listen belegen: Krankenkassen bezahlen Versicherungsmaklern für das Anwerben neuer Kunden viel höhere Provisionen als bisher bekannt.
- Ein langjähriger Krankenkassen-Vermittler legt seinen Verdienst offen: Er kassierte monatlich zwischen 10‘000 und 30‘000 Franken.
- Für einen Neukunden zahlt eine Krankenkasse 1300 Franken. Für eine 4-köpfige Familie 4000 Franken.
- Krankenkassen setzen mit Provisionen Anreize und verhindern so eine unabhängige Beratung. Deshalb sollten Provisionen bei der Revision des entsprechenden Gesetzes Provisionen gestrichen werden, doch die Makler haben erfolgreich dagegen lobbyiert.
Der Versicherungsmakler legt gegenüber «Kassensturz» seinen Verdienst offen: «Es gab kaum einen Monat, in dem ich weniger als 30‘000 Franken verdiente», erzählt er und belegt dies mit Kontoauszügen. Mehr als 20 Jahre lang verkaufte der Vermittler, der anonym bleiben will, Versicherungen für Krankenkassen.
Selbst schlechte Vermittler würden viel Geld kassieren, verrät er. «Man muss in einem Monat bloss fünf Familien als Neukunden gewinnen und schon hat man 10‘000 Franken verdient».
Tatsächlich. Der Krankenkassen-Makler zeigt «Kassensturz» seine Verträge und die Provisions-Tabellen. Sie belegen: Pro Abschluss bekam er zwischen 600 und 1550 Franken, abhängig vom Versicherungsprodukt und der Vertragsdauer.
Krankenkassen-Makler packen aus
Vor drei Wochen fragte «Kassensturz» die grössten Krankenkassen, wie viel Provision sie ihren Vermittlern für einen Vertragsabschluss mit Neukunden bezahlen. Die meisten Kassen machen um ihre Provisionen ein grosses Geheimnis. Nur drei Kassen nannten in der Sendung konkrete Zahlen.
Daraufhin meldeten sich bei «Kassensturz» verschiedene Vermittler. Sie erzählten, wie sie arbeiten, was sie verdienen und sie spielten «Kassensturz» aktuelle Provisionslisten zu. Es sind Verträge zwischen Krankenkassen und Vermittlern. Sie zeigen genau, wie viel Geld die Kassen ihren Maklern pro Vertragsabschluss zahlen. Für jede einzelne Zusatzversicherung gibt es Geld.
Pro Hausbesuch 4000 Franken Provision
Wechselt etwa eine erwachsene Person seine Grund- und drei Zusatzversicherungen mit 'Spital allgemein' zur Krankenkasse Visana, erhält der Makler 1300 Franken Provision. Für einen einzigen Vertragsabschluss!
Noch lukrativer sind Familien. Denn bei einem einzigen Kundenbesuch kann der Makler einen Abschluss für Eltern und Kinder erzielen. Bei einem Wechsel zur Krankenkasse Visana zahlt die Vermittlerfirma für eine vierköpfige Familie dem Makler 4000 Franken.
Visana will sich gegenüber «Kassensturz» zum konkreten Beispiel nicht äussern. Die Krankenkasse betont, dass die Provisionen keinen spürbaren Einfluss auf die Prämien hätten.
Der Kunde ist ahnungslos
Die meisten Kunden hätten keine Ahnung, wie sie versichert seien, erzählt der langjährige Makler. Sie hätten stets das gekauft, was er ihnen vorschlug. Mit zehn Hausbesuchen habe er neun Abschlüsse erzielt. Die Kasse, für die er arbeitete, habe sich gut verkaufen lassen. Und schliesslich seien sie auch gut ausgebildete Verkäufer: «Wir wissen natürlich wie man einen Kunden zum Abschluss bringt».
Nur die eigene Provision im Kopf
Je mehr Zusatzversicherungen und Abschlüsse, desto mehr Geld von den Krankenkassen. Natürlich kenne er auch Vermittler, die nicht seriös beraten würden sagt der Makler gegenüber «Kassensturz»: «Sie verkaufen Produkte, die der Kunde zum Teil nicht unbedingt braucht. Es geht einfach wirklich immer nur ums eigene Portemonnaie».
Das sei problematisch, sagt Stephan Fuhrer, Professor für Privatversicherungs-Recht an der Universität Basel. Der Makler müsse immer die Interessen des Kunden vertreten. Zwischen Makler und Versicherungsnehmer bestehe das gleiche Rechtsverhältnis wie zwischen Arzt und Patient oder Anwalt und Klient. Darum sei der Makler verpflichtet, nichts vorzunehmen, was diese Interessen-Wahrnehmung gefährden könnte.
Doch: «offensichtlich gefährdet ein so Provisionsreglement eine solche Interessenwahrnehmung». Es setze Anreize, bei welchen der Makler die eigenen Interessen über jene des Versicherungsnehmers stelle, so Stefan Fuhrer.
Es winkt die Superprovision
Besonders stossend sind die sogenannten Superprovisionen. Die Krankenkassen belohnen die Makler und Vermittlerfirmen mit einem zusätzlichen Bonus. Dann nämlich, wenn sie ein bestimmtes Umsatzziel erreichen. Je mehr Abschlüsse ein Vermittler erzielt, desto höher fällt diese «Superprovision» aus.
Ein konkretes Beispiel: Ab einer jährlichen Provisionssumme von 25‘000 Franken bezahlt die Krankenkasse Sanitas dem Vermittler zusätzlich 40 Prozent der erreichten Provisionssumme. Erreicht der Vermittler ein Provisionssumme von 75‘000 Franken, zahlt Sanitas gar 60 Prozent der erreichten Summe aus. Ein zusätzliches Geschenk.
Sanitas will sich ebenfalls gegenüber «Kassensturz» nicht zum konkreten Beispiel äussern. Die Krankenkasse betont, dass Provisionen stets stornobehaftet seien und Neugeschäfte von Vermittlern bei Sanitas eine untergeordnete Rolle spielen würden.
Mit falschen Anreizen keine unabhängige Beratung
Solche Superprovisionen setzen falsche Anreize für Makler, meint der Professor für Privatversicherungsrecht Stephan Fuhrer. Im Jahr 2006 schlug er als Mitglied einer Experten-Kommission des Bundesrates bei der Revision des entsprechenden Gesetzes eine transparente und konsumentenfreundliche Lösung vor: Die Kassen zahlen keine Provisionen mehr. Der Kunde bezahlt den Vermittler für die Beratung direkt.
Doch es gab von Maklerseite grosse Widerstände. Fuhrer erinnert sich: «Im Vernehmlassungsentwurf des Bundesrates war dies dann nicht mehr drin». Auf Druck der Makler wurde dieser Vorschlag herausgestrichen.
Krankenkassen betonen: Der Markt spielt
Die grossen Krankenkassen betonen gegenüber «Kassensturz», dass sie unseriöse Beratungen nicht akzeptieren würden. Provisionen bei Zusatzversicherungen würden höher vergütet als bei Grundversicherungen. Zudem sei das Krankenversicherungswesen marktwirtschaftlich organisiert und funktioniere gut.