Darum geht es: «Weiter, immer weiter!», war das Motto des deutschen Torwart-Titans Oliver Kahn. Und nach dem Scheitern seiner Prestige-Vorlage, der Rentenreform, geht es auch für Sozialminister Alain Berset weiter. Heute nahm er sich einem anderen Dauerbrenner seiner Bundesratskarriere an – und schlüpfte dafür in die Rolle des Gesundheitsministers.
Ende September verkündete Berset die alljährliche Hiobsbotschaft, den Anstieg der Krankenkassenprämien. Heute nun stellte er die Ergebnisse einer international besetzten Expertengruppe vor, die sich knapp zwei Jahre lang mit «Kostendämpfungsmassnahmen zur Entlastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» befasste.
Das Ziel des Berichts: Das klingt technokratisch. Doch die Expertengruppe, die von der Zürcher Alt-Ständerätin Verena Diener geleitet wurde, beschäftigte sich mit drängenden Fragen: Wie kann dem «weit über der Wirtschaftsentwicklung liegenden» jährlichen Kostenwachstum entgegengewirkt werden? Und: Wie meistert das Ausland die Herausforderung explodierender Kosten im Gesundheitswesen, und kann sich die Schweiz daran ein Vorbild nehmen?
Die Ergebnisse des Berichts: Der Bericht kritisiert deutlich, dass sich die beteiligten Akteure «zu wenig in der Kostenverantwortung» sähen, obwohl sie «beträchtlichen Spielraum» hätten, um innovative, kostensparende und effizienzsteigernde Versorgungsmodelle zu entwickeln.
- Im Bericht schlagen die Experten insgesamt 38 Massnahmen vor. Unter anderem sollen verbindliche Zielvorgaben für das Kostenwachstum eingeführt werden, die nicht überschritten werden dürfen.
- Weiter empfiehlt die Expertengruppe die Einführung eines so genannten Experimentierartikels , um innovative Projekte zu fördern.
- Die Verlagerung hin zu ambulanten Behandlungen soll beschleunigt, unnötige Behandlungen mit verstärkter Rechnungskontrolle vermieden werden.
- Zweitmeinungen sollen gefördert oder die Gesundheitskompetenz der Patienten gestärkt werden. Den Vertragszwang stellen die Experten nicht grundsätzlich in Frage.
Das sagt der Bundesrat: «Wir wollen energisch vorwärts machen», kündigte Gesundheitsminister Berset an. Dabei setze man speziell bei den unnötigen Leistungen an: «Sie bringen keinen Nutzen für die Patienten, sondern kosten nur. Das bestätigt auch die Expertengruppe.»
Die Kosten im Gesundheitswesen seien heute zu wenig transparent, so Berset: «Das muss sich ändern.» Das bereits installierte Monitoring des Bundesamts für Gesundheit soll weiter verfeinert werden und mehr Klarheit schaffen.
Die hohe Qualität des Gesundheitssystems muss erhalten bleiben, aber es muss auch bezahlbar bleiben.
Zu den Kostenvorgaben: Wer einen festgelegten Plafond überschreitet, soll sanktioniert werden – etwa mit tieferen Vergütungen. Die Frage, wie eine Überschreitung – etwa bei Röntgenaufnahmen – wirksam verhindert werden soll, müsse aber erst noch geklärt werden.
Nach Angaben des Bundesrats befindet sich etwa ein Drittel der vorgeschlagenen Massnahmen bereits in der Umsetzung oder in der Planung. Die Konkretisierung der übrigen Vorschläge soll Bersets Innendepartement nun an die Hand nehmen.