Jahr für Jahr steigen die Krankenkassenprämien und die Parteien diskutieren jeweils, wie dieser Anstieg gebremst werden könnte. Der radikalste bis jetzt diskutierte Ansatz ist eine gesamtheitliche Finanzierung mit einem festen Schlüssel, wie die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) vorschlägt. SRF-Bundeshausredaktor Gaudenz Wacker hat die Medienkonferenz der GDK mitverfolgt und verdeutlicht, was die Kantone fordern.
SRF News: Worum geht es genau?
Gaudenz Wacker: Letztlich geht es um viel Geld und um die Frage, wer bezahlt. Differenziert betrachtet ist es so, dass Kantone und Versicherungen im Gesundheitswesen unterschiedlich viel zahlen. Bei ambulanten Leistungen, zum Beispiel in Arztpraxen, zahlt die Versicherung alles. Bei stationären Leistungen, zum Beispiel im Spital, zahlen Versicherungen und Kantone gemeinsam. Die Kantone steuern 55 Prozent, die Versicherungen 45 Prozent bei. Ein Problem dabei ist, dass das System Fehlanreize schafft. Für Versicherungen ist eine Behandlung im Spital günstiger, auch wenn sie ambulant möglich wäre. Das System als Ganzes wird so teurer, weil Spitalbehandlungen teurer sind. Eine einheitliche Finanzierung soll da Abhilfe schaffen.
Fair heisst aus Sicht der Kantone: Alle müssen mehr zahlen, sowohl die Kantone und als auch die Versicherungen, weil alles teurer wird.
Was schlagen die Kantone vor?
Sie fordern, dass ein grosser und wachsender Teil des Gesundheitswesens auch in dieses einheitliche Finanzierungspaket reinkommt, nämlich die Pflege in Altersheimen zum Beispiel. Dafür zahlen heute Kantone und Gemeinden. Die GDK untermauert ihre Forderung mit einer Studie. Diese soll zeigen, dass man die Pflegekosten auch in eine faire Lösung einbeziehen kann. Fair heisst aus Sicht der Kantone: Alle müssen mehr zahlen, sowohl die Kantone als auch die Versicherungen, weil alles teurer wird. Aber wenigstens müssen alle mehr bezahlen, nicht die einen viel mehr und die anderen nur ein bisschen.
Was ist der Hintergedanke der Kantone?
Die Kantone sind der Meinung, nur so könne man die Kosten effektiv bremsen. Denn auch bei der Pflege gibt es heute Fehlanreize, wenn zum Beispiel ein Senior ins Pflegeheim geschickt wird, anstatt dass ihm daheim die Spitex hilft. Die Kantone sagen, nur wenn die Pflege in dieses Gesamtpaket reinkomme, verschwänden die Fehlanreize. Aber die Kantone dürften auch eigene finanzielle Bedenken plagen, denn die Kantone und Gemeinden wollen nicht alleine auf den Kosten im Pflegebereich sitzen bleiben. Diese werden in den nächsten Jahren noch steigen. Doch die Kantone betonen, es gehe ihnen nicht darum, sich finanziell schadlos zu halten. Das belege die Studie, die sie heute publiziert haben.
Die Kantone sind ein mächtiger Player, auch im Gesundheitswesen.
Gibt es erste Reaktionen auf diesen Vorschlag?
Ja, und die sind nicht positiv. Die Versicherer wehren sich dagegen. Sie befürchten einen Prämienschub. Die Ärztevereinigung wiederum sagt, das Anliegen sei berechtigt, aber man soll besser später darüber reden, wenn man mehr Grundlagen dazu habe und jetzt die von langer Hand vorbereitete Reform weiter vorantreiben. Politiker wiederum, die an dieser Reform mit mitgearbeitet haben, fragen, was das eigentlich soll. Nun hätten sie jahrelang daran gearbeitet und kurz vor der Ziellinie brächten die Kantone ihre Idee so ultimativ ein.
Sieht es für die politische Machbarkeit dieses Vorschlags nicht gut aus?
Nein. Die Kantone haben eine starke Front gegen sich. Aber sie wollen aufs Ganze gehen. Sie drohen mit einem Referendum. Die Kantone sind ein mächtiger Player auch im Gesundheitswesen. Eine Lösung gegen sie durchzubringen wäre schwierig.
Das Gespräch führte Simon Leu.